Lars Eidinger im Gespräch
"Du bist dran"
Lars Eidinger im Gespräch
Nach seiner Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und ersten Engagements am Deutschen Theater Berlin kam Lars Eidinger 1999 zur Berliner Schaubühne, wo er sich als festes Ensemblemitglied einen Namen machte. Dem Ensemble gehört er nach wie vor an. Seit 2005 wirkt der gebürtige Berliner auch immer wieder in ausgesuchten Kino- und TV-Filmen mit. Außerdem komponiert er Film- und Theatermusiken und steht als DJ regelmäßig an den Turntables.
Hauptdarsteller Lars Eidinger
© WDR/Oliver Feist
Sylke Enders hat im Gespräch angedeutet, dass es gar nicht so einfach war, Sie zu verpflichten. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie trotz Ihres vollen Terminkalenders für die Rolle des Peter zugesagt haben?
Eidinger: Erst einmal fand ich es interessant durchzuspielen, was es bedeutet, wenn der Mann zu Hause bleibt, den Haushalt schmeißt und sich um die Kinder kümmert. Denn anders als man sich das vielleicht wünschen würde, ist das immer noch eine absolute Seltenheit. Ich habe beispielsweise in der Krabbelgruppe meiner Tochter einen »Hausmann« kennengelernt, der mir berichtet hat, wie schwierig es für ihn sei, gesellschaftlich akzeptiert zu werden und nicht als Verlierer dazustehen, der zu Hause die Drecksarbeit machen muss, während seine Frau ihrer beruflichen Karriere nachgeht. Ich habe auch angeregt, in einer Szene das Klo zu putzen. Wann hat man das schon mal im Film gesehen? Einen Mann, der die Toilette schrubbt. Überhaupt habe ich manchmal das Gefühl, Hausarbeit im Fernsehen zu zeigen stellt ein größeres Tabu dar als beispielsweise Sex oder Gewalt. Da bleibt das Fiktionale oft hinter der Realität zurück.
Ausschlaggebend war in jedem Fall auch das erste Treffen mit Sylke Enders. Ich kannte ihren Film »Kroko«, den ich großartig finde, hatte sie aber nie persönlich kennengelernt. Vieles von dem, was mich bei der Lektüre an der Figur Peter irritiert hat, hat sich mir in der Begegnung mit Sylke erklärt.
Peter wird mit der Zeit immer gereizter, nutzt jede Gelegenheit zum Streit. Man hätte diese Figur auch so spielen können, dass sie als unsympathischer Nörgler erscheint, doch Sie fangen sie immer wieder rechtzeitig auf.
Das war genau der Grund, warum ich mich anfangs mit der Zusage schwer getan habe: Ich hatte das Gefühl, dass es schwer ist, sich mit Peter zu identifizieren, weil er so negativ ist und immer genervt wirkt. Der so genannte "Nervton" ist ja ein gern bemühtes Mittel von Schauspielern, weil er schnell herstellbar ist und auf der ersten Ebene Konflikt behauptet, jedoch – wie ich finde – keine Realität atmet, sondern rein oberflächlich bleibt. Das war tatsächlich die größte Herausforderung, der ich mich erst nach Sylkes und meinem ersten Treffen gewachsen gefühlt habe. Auch sie hat einen sehr speziellen Charme, der hinter einer schroffen Oberfläche verborgen ist, und eine Art Humor, die sich nicht gleich jedem erschließt.
Liegt die Ursache von Peters Unzufriedenheit wirklich im "Rollentausch" der Eheleute oder nicht doch im Verhältnis zu seinen Eltern?
Vor allem in der Ermangelung des nötigen Selbstbewusstseins, die ihre Ursache bestimmt in Peters Erziehung hat. Sein Verhältnis zu seinem Vater ist hochgradig gestört und führt dazu, dass er sich schnell herabgesetzt und erniedrigt fühlt. Auf der anderen Seite erschwert ihm das natürlich, seine Rolle als »Hausmann« zu akzeptieren, weil sie ihm wie eine Niederlage vorkommt.
Man hat als Zuschauer den Eindruck, tatsächlich eine real existierende Familie zu beobachten – da spielt niemand irgendetwas. Wie stellt man als Schauspieler so etwas her?
Das ist zwar paradox, aber je besser, im Sinne von glaubwürdig und authentisch, man spielt, desto weniger gespielt wirkt es. »Du bist dran« ist ja keine Dokufiction, und wir haben auch nicht improvisiert. Im Gegenteil, das Buch schreibt alles sehr genau vor, und wir haben uns auch streng danach gerichtet. Insofern nehme ich es als Kompliment, wenn man sagt, es wirkt nicht gespielt, das Gegenteil ist aber der Fall. Allgemein gilt, je weniger Klischees man bedient und je mehr Aufwand man betreibt, Fiktion auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen, desto glaubwürdiger wirkt es.
Sie kennen Ursina Lardi meines Wissens von der Berliner Schaubühne. Gab es da also schon eine Basis, auf der Sie aufbauen konnten?
Ich kenne sie vor allem von der »HfS Ernst Busch« aus meiner Zeit als Schauspielstudent, wobei Ursina jahrgangsmäßig über mir war und ich zu ihr aufgeschaut habe. Das erste Mal zusammen gespielt haben wir dann in Christina Paulhofers Inszenierung "Die Herzogin von Malfi" an der Schaubühne, in der wir Bruder und Schwester gespielt haben. An dieser Verbindung konnten wir tatsächlich anknüpfen.
Auch die Leistung der Kinder ist sehr beeindruckend. Wie war die Zusammenarbeit mit ihnen?
Ehrlich gesagt bin ich kein großer Fan davon, mit Kindern vor der Kamera zu stehen, weil ich immer das Gefühl habe, sie gehören da eigentlich nicht hin, sondern auf den Spielplatz. Außerdem muss man gerade, wenn man im Film Familie behauptet, als Schauspieler wahnsinnig viel Aufwand betreiben, die Kinder für sich zu gewinnen, um ein glaubhaftes Verhältnis vor der Kamera zu erzählen. Kinder sind im schönsten Sinne unberechenbar am Set. Das hat eine Qualität, macht aber die Zusammenarbeit nicht eben leichter. Im Fall von Liam und Johanna war es allerdings nicht ganz so kompliziert, weil ich vor allem mit Liam, der ja auch schon älter ist, sehr schnell eine Ebene gefunden habe. Viel von der Leistung der Kinder kann man aber mit Sicherheit Sylke zuschreiben, die ein sehr gutes Händchen dafür hat, mit Kindern vor der Kamera zu arbeiten.
Man erzählt sich, dass Sie das Familienauto zerstört haben (okay, ein Fenster). Wie konnte das passieren?
Erst mal neige ich generell dazu, Requisiten zu zerstören. Im Theater nennt man mich deshalb schon den »Herr der Dinge«. Im Drehbuch steht, Peter bekommt den Sessel nicht ganz in den Kofferraum und schmeißt die Heckklappe zu. Das habe ich in der Probe gemacht, ohne zu bedenken, dass die Autoscheibe das wahrscheinlich nicht überleben wird. Mir war es sehr unangenehm, vor allem weil es in der Stellprobe passiert ist und nicht vor laufender Kamera.
Stand: 09.07.2013, 15.00 Uhr