Erstes TV-Duell der Kanzlerkandidaten: Alle wollen weg vom EU-Einstimmigkeitsprinzip

23. WDR Europaforum

Erstes TV-Duell der Kanzlerkandidaten: Alle wollen weg vom EU-Einstimmigkeitsprinzip

Annalena Baerbock (Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, Kanzlerkandidatin B'90/Die Grünen), Armin Laschet (Ministerpräsident NRW, Bundesvorsitzender der CDU, Kanzlerkandidat CDU/CSU) und Olaf Scholz (Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler, Kanzlerkandidat der SPD) im Gespräch mit Ellen Ehni (Chefredakteurin WDR Fernsehen).
© WDR/Oliver Ziebe

Beim ersten TV-Duell der drei Kanzlerkandidaten von Union, Bündnisgrünen und SPD haben sich Armin Laschet (CDU), Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD) beim 23. Internationalen WDR Europaforum für eine Änderung beim Einstimmigkeitsprinzip der EU ausgesprochen. Nachdem es aktuell keine gemeinsame Erklärung der EU zur Eskalation in Israel gebe, müsse gehandelt werden, so die drei Kandidaten übereinstimmend. „Wenn die EU souverän und stark sein will, wenn sie verhindern will, dass wir in der Welt herumgeschubst werden, wenn wir sicherstellen wollen, dass Demokratie und Wohlstand hier verteidigt werden können und auch unsere Sicherheit, dann müssen wir mit einer Stimme sprechen können, und das setzt Mehrheitsentscheidungen bei den Außen- und Finanzministern voraus“, so SPD-Finanzminister Olaf Scholz. Annalena Baerbock betonte, dass Deutschland in dieser Frage vorangehen müsse. „Als nächste Bundesregierung darf man nicht nur Lippenbekenntnisse ablegen, sondern muss auch zu Vertragsänderungen bereit sein.“ Derzeit stehe das Einstimmigkeitsprinzip für die Finanz-, Steuer- und Außenpolitik noch in den EU-Verträgen. CDU-Vorsitzender Armin Laschet wies darauf hin, dass man substantielle Vertragsänderungen benötige: „Das bedeutet aber auch, dass Beschlüsse umzusetzen sind. Wenn man sich etwa auf eine europäische Drohne verständigt, muss man dann auch in Deutschland dazu „Ja“ sagen.“

Während Laschet erneut klar machte, dass eine Bundesregierung unter seiner Führung zum Zwei-Prozent Ziel der Nato bei den Verteidigungsausgaben stehe, lehnte Baerbock die Vorgabe ab und forderte, ein neues Kapitel in Sicherheitsfragen aufzuschlagen. „Derzeit hat man hehre Ziele, erfüllt sie aber nicht. Dann ist am eigenen Handeln etwas falsch, oder an den Zielen.“ Europa müsse sich mehr um die eigene Sicherheit kümmern und auf Augenhöhe mit den USA agieren. Zur neuen Sicherheitspolitik gehöre auch nukleare Abrüstung. Angesichts unterschiedlicher Auffassungen in seiner Partei ließ Olaf Scholz offen, ob er als Kanzler anstreben werde, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. „Wir haben da die Aufgabe, Stück für Stück voranzukommen.“

Im Hinblick auf die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 sprach Laschet nach der Ankündigung der USA, auf Sanktionen gegen deutsche Firmen zu verzichten, von einer „großen Geste von Präsident Biden“, der mit der Politik seines Amtsvorgängers gebrochen habe, auch wenn der Chef im Weißen Haus Nord Stream 2 persönlich ablehne. Scholz erklärte, dass es in diesem Zusammenhang noch viele Jahre Aufgabe von deutschen Regierungen und der EU sein werde, die Sicherheit der Ukraine und von Osteuropa zu gewährleisten. „Ich glaube, das hört niemals auf.“

Im Zuge der aktuellen klimapolitischen Herausforderungen wies Baerbock auf „ordnungsrechtliche Maßnahmen“ hin, ohne die man die selbst gesteckten Ziele nicht erreichen könne. Dazu gehöre ein Verbot der Neuzulassung von Verbrennermotoren im Auto ab 2030 wie auch der Verzicht auf den Einbau von Ölheizungen. „Und wir müssen wegkommen von Flügen in Deutschland, die wir eigentlich mit der Bahn machen können.“ Für Unionskandidat Laschet stand eine andere Frage im Mittelpunkt: „Wie können wir klimaneutrales Industrieland bleiben? Das ist der eigentliche Streit, und der wird bleiben“, kündigte er an. Er werde dieses Thema im Wahlkampf akzentuieren. Für Olaf Scholz ist das klimapolitische Umsteuern in Deutschland „die größte industrielle Revolution seit Beginn der Industrialisierung“. Innerhalb von 25 Jahren das Zeitalter der fossilen Energieträger hinter sich zu lassen, „das ist eine gigantische technologische Aufgabe“.

Stand: 20.05.2021, 17.15 Uhr