Merkel stellt klar: Israel muss sich massiv zur Wehr setzen, aber für Waffenstillstand auch Kontakte zur Hamas notwendig

23. WDR Europaforum

Merkel stellt klar: Israel muss sich massiv zur Wehr setzen, aber für Waffenstillstand auch Kontakte zur Hamas notwendig

Null Toleranz gegenüber antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zieht im Gespräch mit Tina Hassel ( Leiterin ARD-Hauptstadtstudio Berlin) und Andreas Cichowicz (Chefredakteur Norddeutscher Rundfunk) beim Europaforum 2021 in Berlin Bilanz.
© WDR/Oliver Ziebe

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erneut das Selbstverteidigungsrecht Israels im derzeitigen Nahost-Konflikt hervorgehoben, gleichzeitig aber auch betont, dass für einen Waffenstillstand auch Gespräche mit der Hamas notwendig seien. „Zum Selbstverteidigungsrecht Israels stehen wir. Es ist auch richtig, dass sich Israel an dieser Stelle massiv zur Wehr setzt“, erklärte Merkel auf dem 23. Internationalen Europaforum des WDR. Man wolle als EU über die transatlantische Zusammenarbeit dazu beitragen, dass diplomatische Versuche unternommen würden, eine Situation herzustellen, in der die Waffen schwiegen und eine Perspektive des Friedens erkennbar werde. Indirekte Kontakte müsse es in diesem Zusammenhang auch mit der palästinensischen Hamas geben. „Natürlich muss die Hamas in gewisser Weise eingebunden sein, denn ohne sie gibt es auch keinen Waffenstillstand“, meinte Merkel. Ägypten und andere arabische Staaten seien in diesem Zusammenhang sehr wichtig, da sie über entsprechende Gesprächskanäle verfügten.

Antisemitische Ausschreitungen in Deutschland seien scharf zu verurteilen, so die deutsche Regierungschefin weiter. „Wenn man vor Synagogen demonstriert, wenn man Flaggen verbrennt, wenn man deutlich macht, dass es nicht um politische Facetten geht, sondern wenn es um das Judentum als Ganzes geht, da gibt es null Toleranz bei uns.“ Dies alles sei zu unterscheiden von der Frage, ob Kritik an der Politik des Staates Israel möglich sei. „Die kann auch bei uns geäußert werden“, erklärte Merkel.

Nachdrücklich verteidigte die Bundeskanzlerin den EU-Aufbaufonds, denn die aktuelle Pandemie-Lage sei nicht mit der Eurokrise zu vergleichen. Damals wurde eine Vergemeinschaftung von Schulden noch abgelehnt. Sowohl der Euro wie der grenzfreie Verkehr im Schengenraum seien zunächst noch nicht hinreichend abgesichert gewesen, sagte Merkel. "Da musste Europa durch eine schwere Krise, um diese Strukturen wetterfest zu machen.“ Das sei gelungen, „und damit ist auch Zukunft für Europa gebaut worden.“ In der Pandemie habe man es mit einem Schock von außen zu tun, Reformen in Mitgliedsstaaten stünden auf dem Spiel. „Da war gemeinschaftliches Handeln angesagt. Deshalb unterstütze ich es auch, dass die EU Schulden aufnimmt. Das ist die adäquate Reaktion auf ein äußeres, alle treffendes Ereignis.“

Deutschland und Frankreich werden nach Merkels Überzeugung auch künftig in der europäischen Politik wichtigste Akteure bleiben, wobei es große Gemeinsamkeiten bei den Grundüberzeugungen, aber eine unterschiedliche Herangehensweise gebe. Es gebe Unterschiede, die akzeptiert werden müssten, etwa beim Thema nukleare Abschreckung oder der Nutzung der Kernenergie. „Präsident Macron glaubt, dass die Kernenergie ein wichtiger Faktor für die Zeit der Klimaneutralität ist. Wir glauben das nicht. In diesem Punkt gibt es keine Harmonie, sondern nur den Versuch, gemeinsame Lösungen zu finden“, erklärte Merkel, die im Übrigen bei ihrem letzten WDR Europaforum ein kleines Geheimnis verriet. Auf die Frage, was später auf keinen Fall über sie in den Geschichtsbüchern stehen sollte, antwortete sie: „Dass ich faul war.“

Das 23. WDR Europaforum wird live im WDR Fernsehen übertragen und online im Livestream gezeigt.

Stand: 20.05.2021, 14.45 Uhr