Till Franzen (Regie)

„Tatort – Die Erfindung des Rades“

Till Franzen (Regie)

© WDR/Frank Dicks

Das ist Ihr zweiter „Tatort“ aus Münster, diesmal sind sie mit den allgegenwärtigen Fahrrädern noch dichter am Kern von Münster als bei „Der Mann, der in den Dschungel fiel“. Mit welcher Haltung sind Sie an diese Geschichte gegangen?

Ich bin wieder mit großer Neugier an diese schöne Geschichte herangegangen, weil sie die Dynamik einer sehr besonderen Familie ins Zentrum rückt, die zugleich komisch, schräg und abgründig ist. Ein großes Geschenk war es, wieder mit diesem tollen Ensemble zu arbeiten: Die beiden Hauptdarsteller haben ein so wunderbar aufeinander eingespieltes Timing, und auch Mechthild Grossmann als Chefin hat diesmal eine tragende Rolle. Sie ist eine Schauspielerin, die jede Szene mit ihren wunderbar trockenen Kommentaren bereichert. So entsteht hoffentlich trotz aller intendierten Spannung eine Leichtigkeit, die etwas ganz Spielerisches hat. Und ganz nebenbei prägt natürlich auch das Fahrrad das Bild dieser Stadt – wenn es eine Stadt gibt, die sich über das Radfahren definiert, dann Münster. Am Ende fühlt sich der Film im besten Falle an wie eine beschwingte Fahrradfahrt mit viel Rhythmus, Spannung und eben einem besonderen Swing!

Diesmal haben Sie sogar Schwarzweißaufnahmen verwendet und erzählen dem Publikum damit auch etwas über ein schicksalhaftes Ereignis im 19. Jahrhundert. Wieviel Wahrheit steckt Ihrer Meinung nach in William Faulkners Satz: „Das Vergangene ist nicht vorbei, es ist nicht einmal vergangen.“?

Der Satz von Faulkner passt hier tatsächlich sehr gut, weil die Vergangenheit in dieser Geschichte stark in die Gegenwart hineinwirkt. Die Erzählung führt uns zurück ins Jahr 1882, als das Fahrrad vielleicht nicht in Coventry, London, sondern in Münster erfunden wurde. Um das erzählerisch einzufangen, haben wir kontrastreiche Schwarzweißaufnahmen gewählt, die einen dramatischen, historischen Ton anschlagen – inspiriert etwa vom Look aus „Der Elefantenmensch“ von David Lynch. Ein historischer Film Noir quasi. Gleichzeitig wollte ich natürlich den leichten Ton der Münster-Tatorte bewahren, und gerade dieser Kontrast war äußerst reizvoll. Mit Kameramann Jan Prahl konnten wir dafür eine sehr eigene Bildsprache entwickeln. Unser Glück war es, in einer alten Sensenfabrik zu drehen, die uns nicht nur die perfekte historische Kulisse bot, sondern auch erlaubte, das heutige Fahrradgeschäft dort anzusiedeln. So konnten sich Vergangenheit und Gegenwart mühelos verweben. Für mich war es ein kleiner, aber sehr schöner Schritt hin zu etwas Historischem, was ich schon immer einmal drehen wollte.

Worin bestand die größte Herausforderung, den letzten Auftritt von Mechthild Großmann als Wilhelmine Klemm filmisch zu gestalten?

Die größte Herausforderung war es, der Figur Wilhelmine Klemm in ihrem letzten Auftritt die Größe und Würde zu geben, die sie verdient. Mechthild Großmann hat mit ihrer unverwechselbaren Präsenz über viele Jahre eine Figur geprägt, die streng, unnahbar und zugleich charismatisch war. Diesen Abschied mussten wir so erzählen, dass er emotional berührt, aber nicht sentimental wird – also in dem feinen Ton, der auch die Münster-Tatorte auszeichnet. Für mich war es ein großes Glück, dass Mechthild Großmann hier noch einmal eine so tragende Rolle spielen konnte, die der Geschichte Tiefe gibt und gleichzeitig den Raum eröffnet, ihre Figur in aller Konsequenz zu würdigen.

Stand: 21.10.2025, 11.30 Uhr