Dipl.-Psych. Hans-Georg Lauer über Hypersexualität, Co-Abhängigkeit und die Serie „naked“
„naked“
Dipl.-Psych. Hans-Georg Lauer über Hypersexualität, Co-Abhängigkeit und die Serie „naked“

© Marcus Gloger
Nach meiner langjährigen Praxiserfahrung zeichnet „naked“ ein realistisches Bild von Hypersexualität, die Darstellung der Figur Luis ist besonders treffend: sein ritualisierter Pornokonsum, die Scham- und Schuldgefühle sowie die ständige Frage nach seiner „Normalität“. Viele Betroffene, die ich kenne, berichten sehr ähnlich.
Pornokonsum ist bei vielen hypersexuellen Personen ein zentrales Thema. Er regt bei Sucht affinen Menschen zu mehr Konsum an. Der Konsum wird zum Ritual und zur starken Gewohnheit. Scham und die Angst vor dem Versagen (z. B. in Bezug auf Treue) lassen hypersexuelle Menschen häufig schneller aus der Beziehung aussteigen. Eine rationale Auseinandersetzung mit dem eigenen Suchtverhalten unterbleibt häufig.
In der Serie „naked“ kann man auch typische Verhaltensmuster betroffener Personen erkennen – etwa Rückzugstendenzen, wenn Nähe entsteht, oder das abrupte Unterbrechen von Kontakten (Handy ausschalten, nicht erreichbar sein). Diese Distanzierungsversuche erlebe ich in der Therapie regelmäßig. Auch Rückschläge (mangelnde Impulskontrolle, Definition gem. ICD-11) gehören fast immer zum Krankheitsbild und mindern das Selbstwertgefühl. Bei noch so starken Vorsätzen schaffen es die wenigsten Betroffenen, ohne eine Einzel- bzw. Gruppentherapie aus der Sucht der Hypersexualität auszusteigen.
Aus meiner Erfahrung verhalten sich Partner oder Partnerinnen hypersexueller Menschen oft co-abhängig: Sie übernehmen eine Helferrolle, wollen retten, erleben dabei aber wachsende Enttäuschung und Frustration. Dieses Spannungsfeld zeigt die Serie eindrucksvoll in der Figur Marie. Freunde und Bekannte hingegen bagatellisieren das Verhalten, stellen es als „cool“ dar und verkennen die Suchtproblematik. Das spiegelt die gesellschaftliche Realität, in der Hypersexualität nach wie vor unterschätzt wird.
Aus meiner Sicht gelingt es der Serie „naked“ insgesamt, die psychischen Konflikte der Betroffenen, die Dynamik in Beziehungen und den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema in bemerkenswerter Authentizität darzustellen.
Stand: 25.09.2025, 11.00 Uhr