Svenja Jung (Rolle: Marie)

„naked“

Svenja Jung (Rolle: Marie)

© WDR/Fandango Film TV

Was hat Sie gereizt, bei „naked“ die Hauptrolle zu übernehmen, und warum halten Sie das Thema der Serie für wichtig?

Ich bin ein großer Fan der Drehbücher von Silke Eggert und Sebastian Ladwig. Die Geschichte von Marie und Luis basiert auf persönlichen Erfahrungen – das spürt man in jeder Szene. Schon beim Lesen fühlte sich alles unglaublich lebendig und „wasserfest“ an. Es hatte eine emotionale Tiefe und Intelligenz, die mich sofort gepackt hat. Das Thema halte ich für extrem relevant, weil es mit vielen Menschen resoniert: Verlangen und Sucht sind universell menschliche Erfahrungen. In „naked“ widmen wir uns einer Suchtform, die selten im Fokus steht: Sexsucht. Die daraus entstehende co-abhängige Beziehung ist zutiefst destruktiv – und gerade weil sie so menschlich erzählt wird, lässt sie einen kaum los. Sucht beeinflusst immer auch das Umfeld – Beziehungen zu Partnerinnen und Partnern, zur Familie, zu Freundinnen und Freunden. Und viele Zuschauerinnen und Zuschauer kennen sicher auch das Gefühl, in einer toxischen Beziehung festzustecken oder jemanden zu kennen, der das erlebt hat. „naked“ erzählt die Transformation eines Paares – von der intensiven Anziehung und Verliebtheit bis hin zur Selbstaufgabe und Zerstörung. Diese Reise, das starke Drehbuch und natürlich auch die Zusammenarbeit mit Bettina Oberli als Regisseurin waren für mich ausschlaggebend, die Rolle anzunehmen.

Marie durchläuft im Verlauf der Serie eine tiefgreifende Transformation – wie haben Sie sich auf diese emotionale Reise vorbereitet?

Ich habe mich viel mit Silke Eggert ausgetauscht und Bücher der Selbsthilfegruppe „S-Anon“ gelesen, die auf den Zwölf Schritten der „Anonymen Alkoholiker“ basieren. Außerdem hatten wir intensive Proben mit Cast, Regie und unserer Intimitätskoordinatorin besonders wegen der vielen intimen Szenen. So entstand ein geschützter Raum, in dem ich die Figur sehr nah an mich heranlassen konnte.

Welche Rolle hat die Intimitätskoordinatorin am Set gespielt?

Intimitätskoordiatoren sind dafür da, dass wir uns als Schauspielerinnen und Schauspieler am Set wohl fühlen und geschützt sind. In diesem Fall haben wir mit der großartigen Philine Janssens gearbeitet, die zusammen mit Bettina Oberli und uns Spielern die Sexszenen mit ins Narrativ eingebaut hat. Wir haben – auch mit unserem Kameramann Julian Krubaski – immer wieder nach neuen Wegen gesucht, um die Veränderung der Beziehung zwischen Luis und Marie auch in die intimen Momente einzuarbeiten.

In welchen Momenten konnten Sie sich mit der Rolle identifizieren – und wo wurden Sie herausgefordert?

In Maries Unsicherheiten habe ich mich stellenweise wiedererkannt – auch wenn sie diese viel stärker in sich trägt als ich. Besonders nah war mir ihre enge Freundschaft zu Lilith. Ich habe selbst Freundinnen, mit denen ich zeitweise zusammengelebt habe, und weiß, wie stark dieses Band ist. Außerdem wollte ich früher immer Lehrerin werden. In diesem Punkt unterscheiden wir uns zwar, denn Marie träumt im Grunde davon, Malerin zu sein – aber den inneren Konflikt zwischen Sicherheit und Sehnsucht kenne ich ganz gut.

Besonders herausfordernd waren die Szenen, in denen Marie sich immer tiefer in ihre emotionale Abhängigkeit begibt. All diese Momente, in denen sie zweite, vierte, sechste Chancen gibt, nach Erklärungen sucht, rebelliert, sich anpasst, provoziert, Luis verletzt – und sich letztlich immer mehr selbst verliert. Marie zu spielen, die nicht nur mit der Sucht ihres Partners lebt, sondern selbst süchtig wird – nach Luis, nach der Idee dieser Liebe – war definitiv aufreibend.

Was ist Ihnen bei der Verkörperung der Rolle Marie besonders wichtig?

Mir ist wichtig, eine Frau zu zeigen, die sich zu Beginn der Serie nimmt, was sie möchte – die ihre sinnlichen Momente genießt, sich ausprobiert, neugierig ist, sich fallenlässt und ihre Sexualität lebt. Gerade in der jetzigen Zeit, die mir politisch oft rückwärtsgewandt erscheint, empfinde ich das als ein starkes, feminines Statement. Außerdem ist es mir wichtig, die komplexen Täter-Opfer-Dynamiken zwischen Marie und Luis differenziert darzustellen. Marie ist zwar definitiv Opfer von Luis’ Krankheit, aber auch Co-Abhängige. Ihre Provokationen und ihr Verhalten tragen ebenso zu der toxischen Dynamik in der Beziehung bei. Es geht mir darum, keine Schablonen zu bedienen, kein Schwarz-Weiß zu zeigen.

Was haben Sie persönlich aus der Arbeit an dieser besonderen Serie mitgenommen?

Was ich persönlich mitnehme, ist vor allem ein geschärfter Blick für ungesunde Beziehungen und die enorme Kraft, die destruktive Bindungen entwickeln können – gerade, wenn sie sich lange wie Liebe anfühlen. Außerdem bin ich sehr dankbar, dass ich mit so wunderbaren Menschen diese Serie in all ihrer Zartheit und Härte drehen durfte.

Stand: 20.08.2025, 11.00 Uhr