Bestes Hörspiel: Florian Fische
Deutscher Hörbuchpreis 2025
Bestes Hörspiel: Florian Fische
Für „Dschinns“, Autorin: Fatma Aydemir, Hörspiel in sechs Kapiteln nach dem gleichnamigen Roman – basierend auf einer Theaterfassung von Selen Kara, NDR, Buchverlag: Hanser, als Taschenbuch dtv.

© WDR/Annika Fußwinkel
Das sagt die Jury:
„Dschinns“ verschafft Ungehörtem und Unerhörtem einen großen Auftritt – durch das Spiel eines hervorragenden Sprecherensembles in der subtilen und klugen Inszenierung von Florian Fischer und durch die künstlerisch überzeugende Soundkulisse, komponiert von Schneider TM, dessen Klänge hier Welten erschaffen. Zusammen mit dem Dschinn in dieser Geschichte wandern wir durch die Seelenräume der einzelnen Familienmitglieder der deutsch-kurdischen Familie Yılmaz, die sich mit ihren so unterschiedlichen und doch ähnlichen Sehnsüchten, Verstrickungen und schmerzhaften Erfahrungen in unsere Herzen spielen und dabei zutiefst Menschliches offenbaren. Diese berührende Geschichte vergegenwärtigt beispielhaft das Schicksal von Millionen in die Bundesrepublik immigrierten Familien in der ganzen Bandbreite zwischen gelungener Integration und fortbestehender kultureller Zerrissenheit, Erfolgsgeschichte und Tragödie.
Drei Fragen an Florian Fischer:
Wie sind Sie bei der Adaption von Fatma Aydemirs Roman "Dschinns" für das Hörspiel vorgegangen, insbesondere im Hinblick auf die Integration von Elementen aus der Theaterfassung von Selen Kara?
Es gab glücklicherweise schon die Fassung, die Kerstin Grübmeyer und Selen Kara für das Nationaltheater in Mannheim gemacht haben. Die Frage, wie man das aufs Hörspiel überträgt, hat sich dann sofort gestellt. Ich hatte beim Lesen immer das Gefühl, dass da eine Stimme im Text von Fatma Aydemir mitspricht. Eine Stimme, die mehr weiß als die Figuren, und das hat mich auf die Spur des Dschinn gebracht. Bestimmte Reflexionen und die inneren Stimmen, die jede Figur mit sich herumträgt. Damit wollte ich dieser Familie eine Stimme an die Seite stellen, die herumwandert im Raum, nicht klar zu greifen ist, sich entzieht und zu jedem der Familienmitglieder anders ist, eine spezifische Verbindung zu ihnen hat, während sie sie begleitet.
Das war für mich der große Reiz an diesem Projekt. Etwas, das wir so oder so ähnlich innerlich mit uns herumtragen, über die Stimme von Şiir Eloğlu zu veräußerlichen. Im Ephemeren zu manifestieren und sich dann wieder auflösen zu lassen. Ich hoffe, dass man sich fragt, was dieser Dschinn ist, ob er persönlich ist, ein Trauma, Rassismuserfahrungen und seine Folgen, ob er Verlust ist, ein Fluch, eine Lücke oder eben die Auffüllung dieser Lücke?
Und die Krönung war dann Christian Alpen vom NDR, der als Toningenieur extra einen Algorithmus für dieses Hörspiel programmiert hat, um diese Stimme jedes Mal anders durch den Raum wandern zu lassen. Mal mit Sprüngen mal mit langsamen links-rechts-Bewegungen, aber jedes Mal individuell anders. Was für ein Geschenk!
Um die Geschichte nicht rein individuell zu verorten, habe ich – auch dank der unglaublichen Recherche meines Regieassistenten Leo Schenkel - für jedes Kapitel noch thematische O-Ton-Collagen eingefügt, die etwas über Zeit, System, Umwelt im weitesten Sinne erzählen. Wir wollten eine zeitliche, kulturelle Verortung ermöglichen, um die Geschichte nicht losgelöst zu erzählen, sondern spezifisch in die komplexe Zeit der 1990er Jahre in der Bundesrepublik hinein.
Welche Rolle spielte die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Schneider TM (Dirk Dresselhaus) bei der Entwicklung der Klanglandschaft des Hörspiels, und wie haben Sie Musik und Erzählung miteinander verknüpft?
Das war ganz toll. Dirk und ich haben uns nur einmal getroffen. Ich habe ihm von der Atmosphäre erzählt und dabei versucht, mein Verständnis vom "Dschinn" zu konturieren und auszumalen. Dann hat Dirk losgelegt und Unmengen an Material produziert: X-Spuren mit X-Kombinationsmöglichkeiten! Das war ein riesiger Schatz und der noch größere Schatz war, dass er gesagt hat "Nimm davon was du brauchen kannst" und so haben der fantastische Cutter Sebastian Ohm und ich viel Spaß gehabt, beim hinein und hinaus springen in dieses Material. Das Dahinwabernde, das Liminale, das kaum Spürbare, aus dem sich dann sowas wie Themen herausspüren lassen, ohne klare Wiederholungen zu sein. Es war ein sehr intuitives Arbeiten mit diesen Musikspuren und der Erzählung, ein Spuren abtasten. Und das, obwohl Geister ja eigentlich keine Spuren hinterlassen.
Wie haben Sie die verschiedenen Perspektiven der sechs Familienmitglieder inszeniert, um deren individuelle Geschichten und inneren Konflikte authentisch darzustellen?
Mit wunderbaren Stimmen, die durch ihre Unterschiedlichkeit und ihre Sprecher:innenpersönlichkeiten erstmal unglaublich viel gegeben haben. Für die Arbeit an den Figuren und deren Konflikten hilft mir meine Erfahrung im Theater sehr, Konflikte klarzuziehen. Innerlichkeit zu erzählen, da kann das Hörspiel so viel.
Es ging darum, etwas über Generationen zu erzählen und wiederum spezifisch zu sein, jede dieser Figuren hat so Unterschiedliches erlebt, ist so besonders geprägt, was es auf eine Art ganz einfach gemacht hat, sie individuell zu zeichnen. Und auf eine andere nicht so leicht, den Figuren jeweils gerecht zu werden. Alles in Allem aber: Viel Liebe und Zuneigung.
Stand: 18.03.2025, 22.00 Uhr