Interview mit dem Regie-Team Anne Zohra Berrached und Konstantin Bock
„A Better Place“
Interview mit dem Regie-Team Anne Zohra Berrached und Konstantin Bock
© WDR/IMAGO/Ying Tang
Wie kam es zur Zusammenarbeit bei diesem Projekt und wie haben Sie die Arbeit im Team erlebt?
Anne Zohra Berrached: Vor fast vier Jahren hat mich Komplizen Serien angefragt, dieses Projekt zu machen. Und ich wusste, acht Folgen à 45 Minuten, das schaffe ich nicht allein. Und dann habe ich einen meiner besten Freunde angerufen – und das ist Konstantin Bock, ein junger Regisseur. Wir waren das beste Team. Und wir haben die Serie gemeinsam mit dem Showrunner Alexander Lindh, dem Produzenten David Keitsch und vielen Mitstreitern maßgeblich geprägt.
Konstantin Bock: Ich fand die Vorstellung spannend, das zusammen im Team zu machen. Mich stört es manchmal bei Serien, wenn man merkt, dass sich zu viele Handschriften abwechseln. Deshalb haben wir uns bewusst dagegen entschieden, Episoden untereinander aufzuteilen. Es war von der Drehbucharbeit bis zum Schnitt eine intensive Zusammenarbeit. Der Showrunner Alexander Lindh hat Anne Zohra und mich schon in den Writers Room eingeladen, er war während der gesamten Buchentwicklung total kollaborativ. Diese Zusammenarbeit wurde bis ans Set weitergeführt, wo Alexander oft hinter dem Monitor saß und immer noch eine gute Idee hatte oder manchmal auch nur ein kleines Wort geändert hat.
Was waren die wichtigsten Erkenntnisse und Erfahrungen während der Recherche für dein Projekt?
Konstantin Bock: Ich muss sagen, dass für mich die Recherchephase eine der interessantesten Phasen überhaupt war, weil wir wirklich zu jeder Figur einen realen Counterpart getroffen haben, die diese Arbeit tatsächlich machen. Von Opferschutzbeauftragten bis zu Therapeutinnen und Therapeuten. Wir haben einen Bürgermeister getroffen, der tatsächlich das gleiche Alter hat wie Amir und in einer Stadt derselben Größe agiert. Diese Treffen, auch mit ehemaligen Gefängnisinsassen, haben der Geschichte nochmal ein anderes Level an Authentizität gegeben.
Anne Zohra Berrached: Wir haben mit Gefängnisinsassen und ehemaligen Insassen gesprochen, wie sie sich fühlen, wie sie selbst ihre Situation erleben, wie es ist, im Knast zu sitzen und wie stark sie sich wünschen, wieder in Freiheit zu sein. Aber wir haben auch darüber geredet, wie es dazu kam, dass sie diese Tat begangen haben und was es bräuchte, dass sie ein legales Leben führen könnten. Natürlich ist uns auch klar, dass viele Dinge, die sie sagen, auch gelernt sind, weil sie immer wieder mit Sozialarbeiter:innen sprechen und diese Sozialarbeiter:innen auch dafür zuständig sind, Empfehlungen auszusprechen, wann sie so weit sind, entlassen zu werden. Ich fand es total spannend, mit diesen Menschen zu reden. Wir haben stundenlange Gespräche aufgenommen, viele Ideen sind in die Drehbücher und die Anlage der Figuren eingeflossen.
Welche Herausforderung gab es bei den Dreharbeiten?
Konstantin Bock: Die größte Herausforderung war, in der Kürze der Zeit diese Größe der Geschichte zu erzählen. Wir haben ein riesiges Ensemble, es ist eine sehr reiche, vielfältige Welt, die wir erzählen. Rheinstadt gibt es nicht, das heißt, Rheinstadt setzt sich zusammen aus vielen Orten in Nordrhein-Westfalen, in denen wir gedreht haben. Es war erstmal ein großer logistischer Aufwand, an diese ganzen Orte zu reisen. Wir haben sechs Wochen in Mönchengladbach gedreht, das war unser Community Center. Wir sind dann nach Leverkusen weitergezogen, dort haben wir das Rathaus von Rheinstadt gedreht. Und dann gab es sehr viele kleine Motive in Köln, in Düsseldorf, in Wuppertal, wo wir unser Gefängnis gefunden haben.
Anne Zohra Berrached: Als wir angefangen haben, die Locations zu suchen, fand ich es total spannend, in einem Gefängnis zu drehen, das noch in Betrieb ist. Aber in dem Moment, als wir begonnen haben zu drehen, war es gar nicht mehr so wichtig, da war ich so in der Welt Rheinstadts und ihrer Figuren angekommen, dass sich für mich sowieso alles echt anfühlte.
Welche Szenen waren am aufwändigsten zu drehen?
Konstantin Bock: Ich würde sagen, die Gefängnisdrehtage waren definitiv die interessantesten und herausforderndsten, weil wir im laufenden Betrieb gedreht haben. Wir haben uns nach dem Gefängnis gerichtet: Wenn Insassen von A nach B transportiert wurden, dann standen wir still. So ein Gefängnis ist nicht darauf ausgelegt, dass plötzlich Dutzende von Menschen auf einen Schlag entlassen werden. Das heißt, die Logistik, diese Anfangsszenen zu drehen, eine Massenentlassung, ist beeindruckend. Wir waren dankbar, dass die Kolleginnen in Wuppertal da so mitgemacht haben.
Was können die Zuschauerinnen von der Serie erwarten?
Anne Zohra Berrached: Ich glaube, es ist uns gelungen, ein großes politisches Thema ganz menschlich darzustellen. Und ich glaube, dass man unser Ensemble unheimlich gerne sehen mag und die Wucht der Schauspielerinnen und Schauspieler einen umhauen wird. Man wird süchtig nach ihnen und will immer weiter und weiter und weiter gucken. Ich würde jetzt auch am liebsten die Folge 9 und 10 drehen!
Konstantin Bock: Dadurch, dass wir so ein riesiges Ensemble haben, ist wirklich für jeden was dabei. Es gibt so viele Figuren, an die man andocken kann, so viele verschiedene Lebensrealitäten, in die man reinguckt.
Ist es zu spät von einer besseren Welt zu träumen?
Konstantin Bock: Auf die Gefahr hin, jetzt ein bisschen naiv zu klingen, ich glaube, es ist nie zu spät dafür. Aber mehr als träumen sollten wir uns dafür einsetzen – und das lieber schneller als später.
Anne Zohra Berrached: Es geht nicht um unsere Träume. Ich glaube, es geht darum, täglich um eine bessere Welt zu kämpfen.
Stand: 25.11.2024, 12.00 Uhr