Janis Rebecca Rattenni (Regie)
„Tatort“ Münster: „Man stirbt nur zweimal“
Janis Rebecca Rattenni (Regie)
Geboren 1983 in Casoli (Italien). Bereits mit elf Jahren stand sie als Schauspielerin bei der Daily Soap „Unter uns“ (Rolle: Anna Weigel, 1994-2004) vor der Kamera. Seit 2016 arbeitet sie als Regisseurin. FILM/FERNSEHEN (Auswahl): „Die Chefin“2024), „Tatort – Ein Freund, ein guter Freund“ (2022), „Kommissar Dupin – Bretonische Idylle“ (2022), „Flensburg-Krimi: Der Tote am Strand“ (2021), „Rentnercops“ (mehrere Episoden 2019 – 2023), u.v.a.
Janis Rebecca Rattenni (Regie)
© WDR/Thomas Kost
Die Figuren haben mit unterschiedlichen Zwängen zu kämpfen. Wie würden Sie die Fesseln für die Figuren beschreiben?
In diesem „Tatort“ erleben wir die tiefgreifende Entwicklung einer Frau, die jahrelang ihre eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Träume für eine vermeintliche Liebe geopfert hat. Selbst in ihrem Witwen-Dasein kämpft sie weiterhin für ihren verstorbenen Mann. Was auf den ersten Blick romantisch und altruistisch erscheint, offenbart sich bald als Ausdruck einer ungesunden Beziehung, aus der sie sich eigentlich befreien müsste. Das zu erkennen fällt ihr jedoch schwer. Menschen mit einer solchen aufopfernden Persönlichkeit empfinden es oft als erfüllend, wenn eine geliebte Person ihre eigenen Wünsche und Interessen über alles stellt. Sie haben sogar oft das Gefühl, damit ihre eigene innere Leere zu füllen, ohne zu erkennen, dass sie sich dadurch in eine Abhängigkeit begeben, aus der es zunächst keinen Ausweg zu geben scheint. Dieses Gefühl, in einer Lebenssituation – egal, worum es im Detail geht – festzustecken, ist meiner Meinung nach die stärkste Fessel, die ein Mensch erleben kann.
Die wichtigste Botschaft dieses Tatorts, die ich besonders hervorheben möchte, ist, dass es nie zu spät ist, für sich selbst einzustehen, um sein Leben selbstbestimmt zu gestalten. Ich wünsche jedem, der schon einmal das Gefühl von Abhängigkeit oder Fremdbestimmtheit erfahren hat, den Mut, sich selbst wieder wertzuschätzen und um Hilfe zu bitten. Oft stellt man fest, dass man nicht allein ist, wenn man den ersten Schritt macht und darüber spricht.
Dieser „Tatort“ lebt von den zwischenmenschlichen Beziehungen und Emotionen. Wie zeigt sich das in Bezug auf Hauptkommissar Thiel und Prof. Boerne?
Emotionen und sind ein wichtiger Teil unserer Persönlichkeit und beeinflussen oft, wie wir denken und handeln sowie unsere zwischenmenschlichen Beziehungen. Außer man heißt Prof. Dr. Boerne – der bleibt auch in diesem „Tatort“ gewohnt rational und kontrolliert. Aber in „Man stirbt nur zweimal“ werfen wir diesmal vielleicht einen etwas tieferen Blick in die Gefühlswelt von Hauptkommissar Thiel, der ja ohnehin emotionaler und transparenter wirkt als Boerne. Diesmal zeigt sich Axel Prahl als Thiel besonders einfühlsam, vor allem gegenüber Doreen Prätorius. Es scheint fast so, als fühle er sich durch ihren Altruismus und ihre Hingabe für ihren verstorbenen Mann auf besondere Weise mit ihr verbunden. Thiel bewundert diese bedingungslose Liebe und wie Doreen das Andenken ihres Mannes verteidigt. Dabei lässt er uns einen kleinen Blick in seine eigene Gefühlswelt werfen – und vielleicht auch in die unerfüllten Träume und Wünsche, die er selbst noch hat.
Gab es besonders lustige oder emotionale Momente am Set?
Grundsätzlich machen mir die Drehs mit Jan Josef Liefers und Axel Prahl immer großen Spaß. Die beiden sind von Natur aus humorvolle und lebensbejahende Persönlichkeiten, und diesen Vibe bringen sie zum Glück immer mit ans Set – damit stecken sie oft die ganze Crew an. Auch ich bin – und das gerne – anfällig für Humor, sodass sich eine positive Grundstimmung durch den gesamten Dreh zog. Viele Teammitglieder kannten sich auch bereits von vorherigen Drehs, was immer eine gute Basis ist. Man ist sich vertraut, was oft einen positiven Einfluss auf den Ablauf hat. Nachhaltig beeindruckt haben mich aber vor allem auch Cordelia Wege und Christian Erdmann (Frau und Herr Prätorius), die ich nur als Menschen, sondern auch als Schauspieler:innen enorm schätze. Beide haben sehr herausfordernde Rollen verkörpert und ein tiefgründiges Thema auf eine beeindruckend authentische und kraftvolle Weise dargestellt. Wenn man so in eine Rolle eintaucht, fällt es oft schwer, die Emotionen nach Drehschluss abzulegen. Aber die beiden haben das professionell umgesetzt, dass wir, sobald die Kamera aus war, stets zwei lockere und humorvolle Persönlichkeiten am Set hatten. Das ist beeindruckend. Eine großartige Besetzung und ein toller Dreh mit vielen schönen Erinnerung!
„Freiheit“ ist ein zentrales Thema in der Geschichte. Was wäre Ihre persönliche Definition von Freiheit?
Freiheit bedeutet für mich, die kleinen Dinge im Leben schätzen zu können, die wir oft als selbstverständlich ansehen: die Möglichkeit, jeden Tag selbst zu entscheiden, wie wir unser Leben gestalten, unsere Meinung frei zu äußern, und unseren eigenen Weg zu gehen. Diese alltäglichen Freiheiten sind etwas, das viele Menschen auf der Welt nicht erleben dürfen. Freiheit ist also nicht nur das große, abstrakte Konzept, sondern zeigt sich auch in den kleinen Momenten des Alltags – in dem, was wir tun, ohne Angst haben zu müssen, und in der Art, wie wir unser Leben selbstbestimmt leben können.
Stand: 21.10.2024, 12.00 Uhr