Almuth Schult

Sechs Deutsche Meisterschaften, achtmal DFB-Pokalsiegerin, einmal Champions-League- Siegerin: Von 2013 bis 2022 spielte Almuth Schult beim VfL Wolfsburg und leistete als Stammtorhüterin einen wesentlichen Beitrags zur Erfolgsgeschichte der Niedersachsen. Auch mit dem Nationalteam gewann sie mehrere Titel, darunter den der Europameisterin (2013) und den der Olympiasiegerin (2016 in Rio de Janeiro). 2014 wurde sie zudem gemeinsam mit der US-Amerikanerin Hope Solo zur IFFHS-Welttorhüterin des Jahres gewählt. Nach einem kurzen Gastspiel beim Angel City FC in Los Angeles und der Geburt ihres dritten Kindes kehrte sie im April 2024 auf den Rasen zurück und schloss sich dem Zweitligisten und Aufstiegsaspiranten Hamburger SV an.
Für die ARD war Almuth Schult bei der um ein Jahr verschobenen UEFA EURO 2020 und bei der Fußballweltmeisterschaft 2022 als Expertin im Einsatz. Im Dezember 2023 verpflichtete die ARD sie fest.

Die EURO im eigenen Land: Auch für Sie persönlich etwas Besonderes?

Natürlich. Ich habe als Spielerin die WM 2011 erlebt, und die Erinnerung an die Stimmung beim Eröffnungsspiel elektrisiert mich noch heute. Die WM 2006 habe ich als Jugendliche von außen verfolgt, und von diesem Turnier schwärmen immer noch alle, die daran beteiligt waren. Von daher freue ich mich ungemein, dass Deutschland wieder Ausrichter sein darf für ein Fußball-Großereignis. Und zudem darf ich die Spiele direkt vom Spielfeldrand begleiten, was nicht nur ein großes Privileg ist, sondern einen auch so dicht am Geschehen sein lässt wie nur wenige Menschen.

Auf welche Mannschaften und welche Spieler freuen Sie sich besonders?

Bei den Mannschaften freue ich mich auf den Debütanten Georgien. Aber auch auf Schottland mit ihren stimmungsvollen Fans. Dazu hat Deutschland sehr viele Nachbarländer, die qualifiziert sind. Das macht die Reisewege für viele Fans kurz und wird sicher manches Team beflügeln. Bei Einzelspielern könnte man eine ganze Liste erstellen, angefangen mit den üblichen Namen wie Bellingham oder Mbappé über junge Spieler wie Wirtz oder Gavi hin zu vermeintlichen Altstars wie Bruno Fernandes, der eine super Saison spielt. Aber am meisten freue ich mich auf Überraschungen, auf Spieler, die das Turnier nutzen, um sich in den Fokus zu spielen. Aus unvorhergesehenen Gründen, wie durch einen verletzungsbedingten Ausfall einer Stammkraft.

Warum stimmt die Regel, dass am Ende immer die Deutschen gewinnen, nicht mehr?

Vielleicht helfen die Fans im eigenen Land, dass die Regel wieder Anwendung findet. Ich würde es mir wünschen! Der Fußball hat sich unheimlich entwickelt in den letzten Jahrzehnten, und aus diesem Grund gewinnt nicht mehr die disziplinierteste, einsatzfreudigste und standard-stärkste Mannschaft – wenn man die Deutschen Tugenden so beschreiben möchte. Mittlerweile gibt es unterschiedliche Faktoren, die zum Sieg führen können, da alle Nationen so eng zusammengerückt sind vom Leistungsvermögen. Und das ist doch ein großer Reiz für alle Fans.

Bei der EURO 2024 stimmt die Regel also vielleicht wieder?

Seit den Testspielen im März bin ich deutlich optimistischer gestimmt. Allerdings weiß man noch nicht, ob nun wirklich nachhaltige Stabilität vorhanden ist. Die letzten Jahre sind unerwartet schlecht verlaufen, wenn man Deutschland an dem Leistungsvermögen seiner Einzelspieler bewertet. Das Potenzial ist immer da gewesen, allerdings haben die Jungs nicht als Mannschaft so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat. Wenn sie nun die Überzeugung aus den letzten beiden Spielen mitnehmen können, springt auch der Funke auf die Fans über. Und dann wird sich das Turnier hoffentlich verselbstständigen.

Wenn Deutschland wider Erwarten nicht Europameister wird: Welche Mannschaft schafft es, und warum wird sie es schaffen?

Wie immer eine schwere Frage. Die letzten Jahre habe ich immer daneben gelegen. Als Favoriten muss man natürlich Frankreich, England, Spanien nennen unter vielen weiteren. Eine Überraschungsmannschaft könnte vielleicht Rumänien oder Slowenien werden. Wenn ich tippen muss, würde ich jetzt aus dem Bauch heraus Kroatien sagen, weil sie bei den letzten beiden Weltmeisterschaften gezeigt haben, was sie können, und dies nun vielleicht auch bei der Kontinentalmeisterschaft abrufen.

Worauf werden Sie besonders achten, wenn Sie sich bei der EURO in Ihrer Funktion als Expertin ein Spiel anschauen?

Keine Frage, dass ich ein extra Augenmerk auf die Torwartposition haben werde. Eine Art Berufskrankheit.

Was muss auf und neben den Plätzen geschehen, damit Sie am Ende sagen: Die EURO 2024 hat mir Spaß gemacht?

Ich bin mir sicher, dass dieses Turnier Spaß machen wird. Fußballerisch war in gewisser Weise jedes Turnier interessant. Aber es geht mittlerweile auch viel um Themen darüber hinaus, wie Infrastruktur, Politik, Nachhaltigkeit, Fankultur und vieles mehr. Weil ich das Gefühl habe, dass wir als Gastgeber zu vielen Themen sehr gut aufgestellt sind, können wir uns hoffentlich auf das Sportliche konzentrieren und somit im Nachhinein über ein fantastisches Turnier sprechen.