Bester Interpret: Cornelius Obonya – „Die Inkommensurablen”

Deutscher Hörbuchpreis 2024

Bester Interpret: Cornelius Obonya – „Die Inkommensurablen”

© WDR/Verlag

Kurzbeschreibung:
In fiebriger Erregung warten die Einwohner Wiens am 31. Juli 1914 das Verstreichen des deutschen Ultimatums ab. Überall bricht sich die Kriegsbegeisterung der jungen Generation Bahn. Mitten in diesen Taumel am Vorabend des Weltkriegs geraten der Tiroler Pferdeknecht Hans auf seinem Weg zur Psychoanalytikerin Helene Cheresch, der musisch begabte Adlige Adam und die angehende Mathematikerin Klara. Gemeinsam verbringen die drei jungen Menschen die letzten Stunden vor der Mobilmachung.

Jurybegründung:
Mit einer Stimme für viele sprechen, für eine ganze Gesellschaft in ihren Schattierungen – das gelingt Cornelius Obonya in „Die Inkommensurablen“. Er gibt den Figuren, die sich da kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Wien versammeln, nicht nur einen unverwechselbaren Sound, sondern rein akustisch auch Charakter und Haltung. Man gewinnt den Eindruck, ein ganzes Arsenal an bestens eingespielten Sprechern wäre für das Hörbuch herangezogen worden. Aber nein, es ist nur einer, aber was heißt „nur“: Obonya entwirft einen Klangraum, in dem Junge und Alte, Visionäre und Träumer über Parapsychologie und den nahenden Krieg diskutieren oder in fiebriger Erwartung der Zukunft aneinander vorbeireden. Virtuos spannt Obonya ein akustisches Panorama der Epoche auf – mit so viel Gespür für die vielen Dialekte der Monarchie, als wäre der Kaiser noch in Amt und Würden und ziemlich beleidigt, weil sich die Jugend danebenbenimmt. „Die Inkommensurablen“ zu hören, ist buchstäblich ein Ereignis.

Zwei Fragen an Cornelius Obonya:

© WDR/Annika Fußwinkel

Worin besteht die Kunst der Dialektpassagen? Was macht sie besonders herausfordernd?

Dialektpassagen sind insofern manchmal etwas heikel, als sie ununterbrochen dazu reizen, etwas humorig zu werden. Der Dialekt , umso mehr, wenn es der Heimatdialekt des Sprechers ist, ist grundsätzlich direkter, schneller, angriffiger. Die genaue Arbeit am Text ist dann unabdingbar, um nicht in eine Art volkstümliches Figuren-Kabarett zu verfallen.

Das Hörbuch beschreibt die Kriegseuphorie aus dem Jahr 1914 sehr bildlich. Welche Gefühle kommen da in Ihnen hoch – auch bezogen auf die aktuelle politische Situation in Europa?

Es ist tatsächlich aus heutiger Sicht kaum zu begreifen, dass so eine Euphorie damals möglich war. Dennoch ist relativ einfach zu erkennen, dass wenn neutrale Information über einen Konflikt nicht vorhanden ist, man die Bevölkerung leicht auf ein Blutvergießen einstellen kann. Man muss nur glaubhaft machen, dass die ganz persönliche Ehre eines jeden einzelnen, von was auch immer, betroffen bzw. beschmutzt wäre, wenn man nun nicht sofort zu den Waffen griffe.

Stand: 05.03.2024, 22.00 Uhr