Beste Interpretin: Maren Kroymann - „Das andere Mädchen“

Deutscher Hörbuchpreis 2024

Beste Interpretin: Maren Kroymann - „Das andere Mädchen“

© WDR/Verlag

Kurzbeschreibung:
Zufällig erfährt die zehnjährige Annie, dass sie eine Schwester hatte, die schon vor Annies Geburt im Alter von sechs Jahren an Diphtherie gestorben ist. In Gestalt eines Briefes an das früh verstorbene „andere Mädchen“ versucht Annie Jahrzehnte später, sich der unbekannten Schwester anzunähern, über die sie mit den Eltern niemals hat sprechen können. Diese Leerstelle, die in der Familie tiefe Spuren hinterlassen hat, erweist sich nicht zuletzt als prägend für Annies eigene Identität und ihr Schreiben.

Jurybegründung:
Der Seele eines Textes auf die Spur zu kommen – das ist große Sprechkunst. Und genau das schafft Maren Kroymann mit dieser Lesung: Sie spricht, nein, sie spielt diese außergewöhnliche Erinnerungsreise als eindringlichen, bewundernswert leicht daherkommenden Monolog. Dabei vermisst sie mit einer klugen, souveränen Nonchalance, eben einem sehr guten Gespür für den Ton des Textes, präzise und gleichzeitig tastend die Gefühlslandschaft zwischen einem Ich und einem Du. Die Adressatin, die verstorbene Schwester, kann sie nicht mehr erreichen, aber uns alle trifft sie mit dem Monolog ins Herz. Weil sie als Erzählerin in ihrer eleganten Zurückhaltung nicht nur die eigene verletzliche, kindliche Vergangenheit beleuchtet, sondern auch so viel über das Kindsein an sich und Wachsen an Widerständen offenbart.

Zwei Fragen an Maren Kroymann:

© WDR/Mathias Bothor

Wie fühlt es sich an, einen Literaturnobelpreis zu vertonen? Haben Sie da nochmal eine ganz andere Art von Respekt?

Neulich fiel mir auf, dass ich tatsächlich eine ziemliche Nobelpreisträger:innen-Dichte in meiner Hörbuch- bzw. Hörspiel-Arbeit habe. Angefangen von Peter Handke („Die linkshändige Frau“, in den 1980ern), über Toni Morrison hin zu Elfriede Jelinek und Annie Ernaux. Das ist toll, ändert aber weder was an meiner Vorbereitung noch an meinem Respekt für die Texte. Der war schon immer da. Als sie dann so hochkarätig ausgezeichnet wurden, habe ich mich natürlich sehr gefreut.

Sie selbst haben vier Brüder – wie sehr hat Sie das in ihrer Identität als Frau und ihrem Schaffen geprägt?

Das hat mich sehr geprägt. Meine Eltern haben mich genauso erzogen wie meine Brüder. Und trotzdem habe ich irgendwann gemerkt, dass ich andere Ausgangsbedingungen im Leben habe als meine Brüder. Bei der Familienkonstellation musste ich einfach Feministin werden!

Stand: 05.03.2024, 22.00 Uhr