Interview mit den Macherinnen

Interview mit den Macherinnen

Ein Interview mit Annette Busch-Wiesenthal und Ute Teigler, die das WDR STUDIO ZWEI von Beginn an als Projektleiterinnen betreuen.

Seit 2009 gab es bereits ein Kinderstudio für die Schulklassen 3 bis 5. 2013 kam dann STUDIO ZWEI für die Jahrgangsstufen 6 bis 13 dazu. Wie kam es damals zu der Entscheidung?

Tilman Schenk, Vogelsanger Stra

Ute Teigler
© WDR/Tilman Schenk

Teigler: Wir haben bei unseren Kinderführungen gemerkt, dass die Begeisterung immer dann da ist, wenn die Kinder selbst etwas machen können. So entstand die Idee zum Kinderstudio. Das hat wunderbar funktioniert, aber leider nur bis zum 5. Schuljahr. Wir fanden es aber wichtig, auch für die Zielgruppe ab zwölf etwas anzubieten, für die es damals auch im Programm kaum etwas gab. So haben wir aus der guten Erfahrung im Kinderstudio das Konzept für die älteren Kinder und Jugendlichen entwickelt.

WDR STUDIO ZWEI ist ein deutschlandweit einzigartiges Medienprojekt. Warum leistet der WDR sich das?

Annette Busch-Wiesenthal
© WDR/Tilman Schenk

Busch-Wiesenthal: Die Vermittlung von Medienkompetenz ist Teil des Bildungsauftrags des WDR. Und wir haben dafür sehr viel Unterstützung im WDR, die das Projekt erst möglich macht. Es kommen immer wieder andere Rundfunkanstalten auf uns zu, die auch etwas Vergleichbares einrichten wollen.

Hat sich der Fokus bei der Vermittlung von Medienkompetenz in den vergangenen zehn Jahren verändert?

Teigler: Die Information über Ausbildungsberufe im WDR war immer Teil des Konzepts. Inzwischen landen in der Personalabteilung viele Bewerbungen, in denen steht: Ich war im STUDIO ZWEI, und das hat mir so gut gefallen! Wichtig ist aber auch: Wenn man emotional angeregt wird und feststellt, das ist aufregend, da muss ich mich anstrengen, das macht total Spaß, dann verankert sich das im Gehirn. Oft sitzen die Klassen anfangs gelangweilt und müde da. Und wenn man dann nach anderthalb Stunden wiederkommt, dann denkt man, das ist eine andere Gruppe. Alle haben ihre Rollen gefunden und sind mit Eifer dabei. Mittlerweile ist das STUDIO ZWEI für viele der absolute Erstkontakt mit dem WDR, und der Besuch bleibt nachhaltig in guter Erinnerung. So können wir neue Zielgruppen gewinnen. Und nicht zuletzt soll der Blick hinter die Kulissen zeigen, wie viel Professionalität und Aufwand hinter der Medienproduktion steckt. Das Erstaunen darüber, bekommen wir immer wieder rückgemeldet.

Wenn die Schulklassen untereinander die Rollen verteilen, gibt es da einen Run auf bestimmte Jobs?

Busch-Wiesenthal: Im Vorfeld werden alle Jobs vorgestellt, die man für so eine Produktion braucht. Die Klasse legt fest, wer Moderator:in wird, denn da muss man richtig Lust drauf haben. Ansonsten sind die Präferenzen unterschiedlich.

Teigler: Grundsätzlich sind die Jobs schneller vergeben, wo die Schüler:innen sich etwas drunter vorstellen können. Musikredaktion ist sehr beliebt. Aber wir haben in beiden Modulen eine Korrespondentenschalte oder eine Kollegengespräch. Auch wenn man das in der Einführung erklärt, bleibt es doch relativ abstrakt. Aber es geht fast immer auf, und wenn nicht, dann wird gelost. Tränen gibt es nicht.

Wie muss man sich diese Korrespondentenschalte vorstellen?

Busch-Wiesenthal: Es gibt einen Greenscreen, wo die Schüler:innen vor verschiedenen Hintergründen als Korrespondent:innen berichten können: Vom Mond, aus dem Dschungel und so weiter.

Teigler: Sie probieren da quasi Fake News aus. Den Ablauf geben wir vor, die Inhalte bestimmen die Jugendlichen selbst, zum Teil mit großem Witz. Man merkt aber in den vergangenen zwei Jahren, dass die düstere Weltlage natürlich auch auf die Schüler:innen abfärbt. Unser Team ist da vor ganz andere Herausforderungen gestellt.

Immer mehr junge Menschen konsumieren überhaupt kein lineares Fernsehen oder Radio mehr. Wie macht sich das in ihrer täglichen Arbeit mit Jugendlichen bemerkbar?

Teigler: Das Mediennutzungsverhalten hat sich stark verändert. Unser Problem war: Wir konnten unsere Workshop-Module nicht anpassen, weil wir immer ausgebucht sind. Es ist ein Räderwerk: Wenn man an einer Stelle was ändert, dann müssen Jobmappen für die Schüler:innen oder das Handbuch für die Besuchsleiter:innen neu geschrieben werden, die Änderungen müssen getestet werden … Dafür fehlte uns schlicht die Zeit. Während der Coronazeit mussten wir über ein Jahr lang die Studios komplett schließen. Die Zeit haben wir genutzt, um Unterrichtsmaterial zum Thema Journalismus online zur Verfügung zu stellen und Inhalte und Designs im Studio zu aktualisieren. Unter anderem haben wir das Modul „Team Wissen“ eingeführt, bei dem mit smarter Technik so etwas wie eine Insta-Story oder ein TikTok zu einem Wissensthema erstellt wird.

Derzeit gehen viele Menschen für den Erhalt der Demokratie auf die Straße. Wie wichtig ist Medienkompetenz in diesem Zusammenhang?

Teigler: Nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene wissen oft nicht mehr, wozu es Journalisten gibt, weil jeder jederzeit Nachrichten verbreiten kann. Natürlich ist Medienkompetenz mega wichtig für die Demokratie! Innerhalb des WDR gibt es inzwischen weitere interessante Medienkompetenzprojekte und auch auf ARD-Ebene passiert viel. Alle Landesrundfunkanstalten kooperieren derzeit in verschiedenen Initiativen, um das Thema „Vertrauenswürdigkeit von Nachrichten“ in den Mittelpunkt zu stellen.

Busch-Wiesenthal: In den Sendungen, die die Klassen im STUDIO ZWEI produzieren, gibt es Einspieler aus dem echten WDR-Programm. Da benutzen wir unter anderem Beiträge von Funk, die sich mit dem Thema Demokratie beschäftigen.

Wie ist das Feedback von Teilnehmenden oder Lehrkräften und Eltern?

Busch-Wiesenthal: Wir sind sehr stolz, dass es ausschließlich positives Feedback gibt. Die Lehrkräfte wundern sich über das Teamwork, das sie so aus der Schule nicht kennen. Es kommt auch vor, dass Jugendliche über sich hinauswachsen. Zum Beispiel hat sich ein Mädchen, das laut Lehrerin in der Schule nie etwas sagt, im Studio hingestellt und ein Lied von Adele gesungen.

Teigler: Wenn wir Kritik hören, dann sind es Beschwerden darüber, dass wir nur vier Klassen am Tag annehmen können und immer ausgebucht sind.

Wie sieht die Zukunft von WDR STUDIO ZWEI aus?

Busch-Wiesenthal: Perspektivisch wird in den Modulen sicherlich das Thema KI irgendwann ein Thema sein.

Teigler: Wir werden auch in Zukunft daran arbeiten, veränderte Mediennutzung und aktuelle Inhalte in die Abläufe und Anwendungen im Studio Zwei zu integrieren. "

Text: Christine Schilha

Stand: 21.02.2024, 10.00 Uhr