„Wir müssen bei unserem Handwerk bleiben“

„Wir müssen bei unserem Handwerk bleiben“

WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn zur Studie „Glaubwürdigkeit der Medien 2023“ im WDR 5 Morgenecho (19.12.2023)

Jörg Schönenborn, WDR-Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung
© WDR/Annika Fußwinkel

Infratest dimap hat im Auftrag des WDR eine neue, repräsentative Studie zur Glaubwürdigkeit der Medien vorgelegt. Herr Schönenborn, wie wird das Informationsangebot der Medien in Deutschland insgesamt bewertet?

Im internationalen Vergleich exzellent, da sind die Deutschen sehr zufrieden. Es gibt mehr als drei Viertel, die sagen, das Informationsangebot hat eine gute Qualität. Dann wird differenziert: Zeitungen, Radio, Fernsehen, Netz. Aber zur Wahrheit gehört auch: Wir erkennen, dass wir vor drei Jahren auf dem Höhepunkt der Pandemie deutlich bessere Bewertungen hatten. Dann ging es runter und im Moment erholt es sich wieder ein bisschen. Man muss schon sagen, da gibt es Veränderungen auf sehr hohem Niveau.

Folgt daraus schon: In Krisenzeiten nutzen die Leute unser Angebot ganz besonders?

Zum einen sieht man: Wenn es kritisch wird – das war am Anfang der Pandemie so, das ist in Kriegsphasen so – dann sind die Öffentlich-Rechtlichen noch stärker wichtigste Informationsquelle, dann erkennen die Menschen an, was wir leisten. Aber es wird auch deutlich – und das ist die andere Seite der Medaille: Mit der großen Kritik an öffentlichen und staatlichen Institutionen, ist auch immer sofort der Blick auf die Medien und auf uns verbunden. Wenn die Gesellschaft insgesamt polarisierter, aufgewühlter ist, dann sind auch wir stärker unter Druck.

Und was heißt das für unsere Glaubwürdigkeit?

Das heißt, dass wir immer noch stolz sein können, dass zwei Drittel sagen, öffentlich-rechtliches Radio, öffentlich-rechtliches Fernsehen halte ich für glaubwürdig. Das ist ein bisschen mehr als im letzten Jahr, aber es sind zehn Prozentpunkte weniger als vor drei Jahren. Ich glaube, man sieht daran die Polarisierung der Gesellschaft, weil diejenigen, die politisch extremer denken und unzufrieden sind mit der Demokratie, auch diejenigen sind, die unsere Arbeit kritisieren. Und es gibt ja auch extreme Kräfte, die journalistischen Freiraum beschränken wollen. Wir spüren diese Polarisierung und ich glaube, wir dürfen uns schlicht nicht provozieren lassen. Wir müssen bei unserem Handwerk bleiben.

Gefragt wurde auch wieder nach dem Vertrauen – wie sieht es da aus?

Es ist ein kleiner Unterschied, ob man fragt: Halten Sie unser Programm für glaubwürdig oder vertrauen Sie uns als Institution? Wir sind ja ein System, das in Deutschland viele Milliarden aus Rundfunkbeiträgen einnimmt. Auch da gilt: Wir hatten vor drei Jahren deutlich höheres Vertrauen, dann ging es runter. Jetzt erholen wir uns wieder ein bisschen. 53 Prozent sagen, sie vertrauen uns. Das ist mehr als für Parteien, Regierungen, Parlamente. Aber das Vertrauen war mal höher. Und man sieht daran auch, dass die große Krise rund um den rbb, die Skandale, die es in der ARD gab, Spuren hinterlassen haben. Wenn wir als Institution glaubwürdig sein wollen, dürfen wir uns so etwas nicht leisten.

53 Prozent, die uns vertrauen – das sind minus 17 Prozentpunkte gegenüber der letzten ausführlichen Erhebung 2020. Abgesehen von diesen Skandalen, die natürlich zu Buche schlagen: Was machen wir offensichtlich nicht ganz richtig?

Zunächst mal machen wir ja für die meisten Menschen sehr viel richtig. Und wenn man bei denen nachfragt, die misstrauisch sind, dann gibt es etwas, das alle Medien betrifft: die Sorge, wir richteten uns zu stark nach Vorgaben von Staat und Regierung. Es gibt erstaunlich viele Menschen, die glauben, dass nicht nur wir, sondern auch Zeitungen Vorgaben aus der Politik bekommen – was natürlich völliger Blödsinn ist. Das andere ist das starke Gefühl, wir wollten belehren, bevormunden, sagen, wie es sein soll. Ich glaube, man findet immer Gründe für Kritik. Aber im Kern müssen wir noch mehr gucken, dass wir sachlich sind, dass wir die Dinge klar und richtig beschreiben. Und dass wir uns eben nicht provozieren lassen und nicht den Eindruck erwecken, wir wüssten es besser.

Und in der Präsentation der Programme auch keine belehrende Anmutung an den Tag legen und auch jedem mit auf den Weg geben: Deine Meinung ist uns genauso viel wert wie die des anderen, aber auch du musst Widerspruch aushalten?

Ja, ich glaube, das ist eine gute Haltung. In der Unsicherheit, in der wir heute alle leben, zu fragen: Wie siehst du das? Unser Publikum zu fragen: Wie seht ihr das? Und nicht vorzugeben, wie wir das sehen.

Man spürt ja einen rauen Wind, der stärker von rechts, aber ein bisschen auch von links kommt. Und das ist ein Wind, der sagt: Nein, wir wollen keine Vielfalt von Argumenten. Wir wollen, dass es nur diesen einen für uns richtigen Weg gibt. Und ich glaube, davon müssen wir uns gerade abheben. Wir müssen deutlich machen: Nein, wir sind in der Mitte der Gesellschaft, wo es viele Wege gibt und nicht den einen richtigen.

Das Interview führte Thomas Schaaf für das WDR 5 Morgenecho (gesendet am 19.12.2023)

Hinweis für Journalistinnen und Journalisten: Zitate bitte nur mit Nennung „WDR 5 Morgenecho“ (19.12.2023) verwenden.

Stand: 19.12.2023, 10.30 Uhr