Johanna Gastdorf (Rolle: Marita Baumanns)

Statement

Johanna Gastdorf (Rolle: Marita Baumanns)

Johanna Gastdof

Johanna Gastdorf
© WDR/ Future Image

„Ein riesiges Herzensprojekt“

Das Thema des Films berührt mich sehr. Da verlieren Menschen ihre Existenz, weil das Dorf, in dem sie ihr bisheriges Leben verbracht haben, aufgrund von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen einfach verschwinden soll. Dörfer werden abgerissen, zerstört, selbst vor der Kirche und dem Friedhof macht man nicht halt. Die Menschen werden aufgefordert, in eine neu gebaute anonyme Siedlung umzusiedeln und sich dort ein neues Leben aufzubauen, und das innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens. Sogar die Gräber auf dem alten Friedhof sollen umgesetzt werden! Was das alles, nicht nur mit alten Menschen macht, mit alteingesessenen Familien, mit denen, die in ihrem Dorf eine Existenz aufgebaut haben, ob mit einer Bäckerei, mit einer Kneipe oder einem anderen Betrieb, und wie sich dies auf die Familien und die Beziehungen der Dorfbewohner untereinander auswirkt, ist schwer vorstellbar. Hilflos ausgeliefert sein, lebend sterben – das war das Gefühl, das ich häufig während unserer Dreharbeiten empfunden habe.

Spontan auf aktuelle Geschehnisse regiert

Ingo Haebs Idee, den Film als Langzeitprojekt anzulegen, hat mir auf Anhieb gefallen. Die fiktive Geschichte der Bäckerfamilie Baumanns, die wir erzählen, ist verwoben mit den realen Ereignissen, die in den Orten geschahen, die der Braunkohleförderung weichen sollten bzw. gewichen sind. Das hatte zur Folge, dass wir auch spontan auf aktuelle Geschehnisse reagieren mussten, etwa als eine Demo stattfand oder als der Immerather Dom abgerissen wurde. Letzteres geschah 2018 zu Beginn der Dreharbeiten – der Anblick des Abrisses wühlte mich sehr auf.

„Spannende Herausforderung“

Die Rolle der Bäckereiverkäuferin Marita Baumanns, die ich in dieser Geschichte spiele, mag ich sehr. Marita Baumanns geht die Dinge pragmatisch an, sie ist ein Mensch, der versucht, aus der Situation, die ihre Familie belastet und mitunter zu zerreißen droht, das Beste zu machen. Ihr verstorbener Mann, mit dem sie täglich Zwiesprache hält, hätte sie darin bestärkt. Marita ist zuversichtlich, auch wenn es Momente gibt, in denen sie verzweifelt und wütend ist, etwa, als man das Grab ihres Mannes von dem Friedhof mit der wunderschönen Backsteinmauer auf einen neuen in der zukünftigen Siedlung umsetzen will. Marita beißt sich durch, sie ist sich nicht zu schade, Essen auszufahren, nachdem die Familie die Bäckerei aufgegeben hat. Eine Figur über einen Zeitraum von vier Jahren weiterzuentwickeln, war zudem eine spannende Herausforderung. Ich habe mich jedes Jahr gefreut, sie wieder zu spielen. Was mir auch gefällt, ist das Zusammenrücken der Frauen, die mit der neuen Situation konfrontiert sind. Sie lassen sich nicht so schnell unterkriegen, „für irgendwas wird es schon gut sein“ war der sehr passende Arbeitstitel des Films, und irgendwie muss es ja weitergehen, auch wenn man sich neu erfinden muss, was sie ja auch tun.

Regisseurin Gina Wenzel hat diese Geschichte, die von Ingo Haeb irgendwo zwischen Realität und Fiktion angesiedelt ist, sehr sensibel und unaufgeregt inszeniert. Ich kann nur sagen: Für mich war und ist diese Arbeit ein riesiges Herzensprojekt!

Zusammenfassung: Gitta Deutz

Stand: 18.10.2023, 11.15 Uhr