Torsten C. Fischer (Regie)
„Tatort – Abbruchkante“
Torsten C. Fischer (Regie)
© WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke
Geboren 1963 in Marl | FILME/FERNSEHEN „Blutholz“ (2023), „Tatort – Vier Jahre“ (2022), „Tatort – Die Kalten und die Toten“ (2021), „Tatort – Der Tod der Anderen“ (2021), „Tatort – Monster“ (2020), „Tatort – Väterchen Frost“ (2019), „Polizeiruf 110 – Totes Rennen“ (2019), „Polizeiruf 110 – Zehn Rosen“ (2019), „Polizeiruf 110 – Crash“ (2018), „Tod im Internat“ (2017), „Tatort – Wir – Ihr – Sie“ (2016), „Tatort – Der Fall Reinhardt“ (2014), „Romy“ (2009), „Guter Junge“ (2008), „Der Liebeswunsch“ (2006) u. v. a. | AUSZEICHNUNGEN Für „Doppelter Einsatz: Blutroter Mond“ und „Der Anwalt und sein Gast“ gewann er jeweils den Deutschen Fernsehpreis. Für „Romy“ gewann er die goldene Magnolie für die beste Regie auf dem Shanghai Festival.
Wegen des Braunkohletagebaus wurden die meisten Bewohner:innen in das am Reißbrett geplante Neu-Bützenich umgesiedelt. Wie haben Sie die Geschichte visuell in Szene gesetzt?
„Diese künstlich anmutenden ‚Ersatzdörfer‘ liegen meist nur wenige Kilometer weg von den alten Dörfern, die zum Abbruch bestimmt waren oder es noch sind. Die alte Heimat ist also immer noch ‚nah‘, Drohnenaufnahmen zeigen dies im Film. Unsere Protagonisten in diesem ‚Tatort‘ können die zerstörten Dörfer zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen, deren verschlossene Häuser oft nur wenige Meter von den Abbruchkanten entfernt liegen. Straßenzüge und Fassaden wirken hier intakt, auch wenn die Bewohner seit Jahren weggezogen sind. Die Illusion eines gepflegten und belebten Ortes soll bestehen bleiben. In den Häusern und nach hinten liegenden Gärten sieht es natürlich anders aus. Die Natur und Tierwelt hat sich da frei ausgebreitet, wild romantisch zuweilen – bis eben der Abbruch oder neue Bewohner kommen.
Es gibt ja einige dieser ‚Neu-Dörfer‘, die am Reißbrett geplant werden und die den Umsiedlern angeboten werden. Sie können sich hier Parzellen aussuchen, die in etwa dem Wert ihrer alten Grundstücke entsprechen. Dort erfüllen sich die alten Dorfbewohner, soweit es ihnen finanziell möglich ist, ihre architektonischen Wunschträume. Da hier viel Freiheiten gewährt werden, entstehen Häuser in allen nur denkbaren Stilen, skandinavische Holzblockhäuser stehen unmittelbar neben englisch anmutender Schlossarchitektur, dekoriert mit einer englisch roten Telefonzelle davor. Und zwischen all dem stehen immer einmal wieder die alten Wegkreuze oder Weltskriegsdenkmäler aus dem alten Dorf.
Diese beiden konträren Welten haben wir versucht aufeinander prallen zu lassen, wie in direkten Schnitten von der alten Dorfkirche zur neu erbauten Kirche.“
Der Drehort für den „Tatort – Abbruchkante“, liegt tatsächlich in der Nähe des Braunkohletagebau-Gebiets. Hatte das Einfluss auf die Dreharbeiten?
„Ja sicherlich, alle Aufnahmen haben wir ja in den teils verlassenen Dörfern um den Braunkohletageabbau in Garzweiler wie in Hambach gedreht, wir sind häufig morgens direkt an Lützerath vorbeigefahren. Die Ausmaße der Abbruchgebiete sind gewaltig. Gelangt man dann zum Beispiel an die offiziellen Aussichtsplattformen an den Abbruchkanten, wird einem dies dramatisch vorgeführt. Die Zerstörung allein der Landschaft ist schockierend und gigantisch.“
„Abbruchkante“ ist der zehnte Fall für Ballauf und Schenk, bei dem Sie Regie führen. Stellt es Sie vor besondere Herausforderungen, wenn der „Tatort“ aus Köln – wie häufig – gesellschaftspolitische Themen behandelt?
„Ich bewerte immer zunächst die Geschichte, den Krimi-Plot, die Charaktere. Das ist das Entscheidende, dies muss fesseln, dies darf nicht von den Inhalten eines ‚Themen-Filmes‘ überlagert werden. Dem Autorenpaar Zahn ist dies in diesem Fall besonders gut gelungen, die Konflikte um die Zerstörung von Dörfern mit den fiktionalen Geschichten zu verbinden; indem sie die Konflikte in ihren Figuren spiegeln, auch im Schmerz und Leid der Vertriebenen.“
Stand: 08.02.2023, 08.15 Uhr