Gustav Schmidt spielt Jonas

Gustav Schmidt spielt Jonas

Jonas (Gustav Schmidt)

Jonas (Gustav Schmidt)
© WDR/Gaumont/Thomas Kost

Wie haben Sie sich auf die Dreharbeiten vorbereitet und wie haben Sie sich dem Thema genähert?
„Zur Vorbereitung gehörten zuallererst Gespräche und anschließende szenische Proben mit den Darsteller:innen und Regie. Ebenso habe ich nach vergleichbaren Fällen in der realen Welt recherchiert und Statements der mutmaßlichen Täter und auch Außenstehender für mich analysiert, um die Gedankenstrukturen zu verstehen oder zumindest versucht zu verstehen, da sie sehr weit von meinen eigenen entfernt sind. Ich glaube jedoch, um Jonas Dilemma eindrücklich zu verdeutlichen, ist es sehr wichtig, herauszuarbeiten und zu veranschaulichen, dass Jonas sich keiner Schuld bewusst ist.“

Jonas ist ein junger Mann, der sehr reflektiert wirkt. Seine Eltern beschreiben ihn sogar als Feministen.
„Das ‚wirkt‘ ist hier für mich das Schlüsselwort. Jonas legt sehr viel Wert auf sein Image und produziert bewusst ein Bild von sich, das eben sehr ‚woke‘, emphatisch, links und aufgeschlossen wirkt. Und diesem Bild versucht er durchaus auch zu entsprechen. Dennoch heißt das nicht, dass er sich nicht irren bzw. etwas Falsches tun kann. Hier liegt das Problem. Menschen, die sich auf eine Weise inszenieren, die in der Gesellschaft als anerkannt und erstrebenswert gilt, bekommen mitunter ein Gefühl von Immunität im Hinblick auf eigene Fehler. Aber Denken und Handeln sind zwei verschieden Dinge, das darf man nie aus den Augen verlieren. Gleichzeitig müssen wir uns von dem vorgefertigten, stereotypen Bild eines Vergewaltigers entfernen, denn das gibt es schlichtweg nicht. Durch Unachtsamkeit kann jeder auf die eine oder andere Art bewusst wie auch unbewusst Gewalt ausüben.“

Wie haben Sie als Mann die #MeToo-Debatte in den vergangenen Jahren verfolgt?
„Ich habe die #Metoo-Bewegung sehr aufmerksam seit Anfang an verfolgt und halte sie für eine längst überfällige, wahnsinnig wichtige Bewegung, die seit ihrem Beginn schon so viel angestoßen und verändert hat.
Miteinander reden, die Themen ansprechen, aufmerksam sein, nicht wegschauen, bewusst zuhören. Das sind die kleinen Dinge, die Menschen tun können. Ein großes Problem in unserer Gesellschaft ist ein fehlgeschlagener Bildungsauftrag. In der Schule wird den Kindern und Jugendlichen zum Beispiel im Sexualkundeunterricht beigebracht, wie ein Kind biologisch entsteht. Sie lernen, wie man ein Kondom über einen Holzdildo oder eine Banane stülpt, währenddessen wird verschämt gelacht und alle sind froh, wenn die Unterrichtsstunden vorbei sind. Was Sexualität alles beinhaltet, was Sex ist bzw. sein kann, was ‚Consent‘, gegenseitiger Respekt und Kommunikation auf einer sexuellen Ebene bedeuten, wird ausgeklammert – so war es jedenfalls bei mir. Damit bleibt Sex etwas Abstraktes und Fremdes. Die verschiedenen Haltungen gegenüber dem Thema entstehen im sozialen Umfeld und sind damit oft nicht weiter beeinflussbar.“

Jonas (Mitte, Gustav Schmidt) betrinkt sich auf der Party.
© WDR/Gaumont/Thomas Kost

Betroffene von sexualisierter Gewalt wollen nicht ein Leben lang „Opfer“ sein. Wie kann das gelingen?
„Ich würde es vermessen finden, auf diese Frage eine absolute Lösung zu offerieren. Jeder Mensch hat seine eigene Form von Traumabewältigung, die für eine andere Person unpassend wäre. Grundsätzlich würde es evtl. helfen, die Stigmatisierung und Tabuisierung vieler Themen anzugehen, und Opfern damit eine weitere Last, neben der Bewältigung der eigentlichen Tat, zu nehmen.“

Es gibt Menschen, die vielleicht auch unbewusst, wenn auch nicht unverschuldet zu Tätern geworden sind und danach reflektieren und wieder gut machen wollen. Wie kann das gelingen?
„Was getan ist, ist getan. Man kann Dinge nicht rückgängig machen und somit kann man eine Vergewaltigung auch nicht ‚wieder gut machen‘. Das eigene Verhalten reflektieren ist ein guter erster Schritt, sich entschuldigen, ohne zu erwarten, dass einem ‚verziehen‘ wird, sicher ein Zweiter. Danach kann man in seinem eigenen Umfeld aufmerksam sein, versuchen aufzuklären und dafür Sorge tragen, dass sich diese Tat nie wiederholt. Ein ‚wieder gut‘ gibt es nicht.“

Wie würden Sie rückblickend die Arbeit für den Film beschreiben? Was haben Sie persönlich aus dieser Zeit mitgenommen?
„Aus der Arbeit habe ich mitgenommen, dass man sich in der Debatte wohl oder übel, mit beiden Seiten auseinandersetzen muss, auch wenn es unangenehm wird. Es kann sich nur etwas ändern, wenn die Menschen miteinander kommunizieren und ein gemeinsamer Konsens gebildet wird, den jeder versteht. Da es um zwischenmenschliche Beziehungen und Übergriffe geht, denen man faktisch nicht aus dem Weg gehen kann, weil sie omnipräsent sind, muss es eine breite Debatte dazu geben.“

Stand: 17.01.2023, 16.00 Uhr