Shari Crosson spielt Kelly

Shari Crosson spielt Kelly

Shari Crosson
© WDR/Thomas Kost

Wie haben Sie sich auf die Dreharbeiten vorbereitet und wie haben Sie sich dem Thema genähert?
„Zusammen mit Julia C. Kaiser und meinen Kolleg:innen haben wir die wichtigsten Szenen ausführlich besprochen und in Proben erarbeitet. Dem Thema habe ich mich aus einer emotionalen Haltung genähert, die auch auf die Rolle abgefärbt hat. Das hat der Rolle sehr geholfen, da sie nach außen sehr sachlich und analytisch an das Thema herangeht. Ich habe Kelly auch eine Backstory gegeben und ein Geheimnis, dass nur sie und ich weiß, welches ihr Motor ist, diese Interviews führen zu wollen.“

Kelly muss als Journalistin neutrale Fragen stellen, wobei man als Zuschauer:in ihre Haltung herauslesen kann. Wie kann dieser Spagat gelingen?
„Als Schauspielerin war es mir wichtig, für mich und die Rolle eine klare innere Haltung zu dem Thema zu haben. Diese feministische und emotionale Haltung dient auch als Widerstand zur nach außen getragenen Unbefangenheit. Auch war es mir wichtig, Kelly als emotionalen und empathischen Menschen zu sehen. Sie ringt um ihre Professionalität und ihre wirkliche Haltung schimmert punktuell durch. Dies erzeugt einen Konflikt, den ich sehr spannend fand.“

Was sagen Sie zu der Behauptung: „Jede Frau kennt mindestens eine Frau, die Opfer von sexualisierter Gewalt wurde. Aber kaum ein Mann kennt einen Mann, der Täter wurde.“?
„Ich denke, dass es sehr viel perfider ist. Ich glaube, dass Männer sogar über sexualisierte Gewaltverbrechen reden oder womöglich darüber prahlen, andere Männer diese aber gar nicht als solche einordnen oder einordnen möchten. Männer sollten auch endlich ihre eigenen Diskurse darüber führen und sich reflektieren und selbstkritisch hinterfragen. Es kann nicht sein, dass das Problem auf Betroffene abgewälzt wird. Und andererseits, so glaube ich, ist es sogar unwahrscheinlicher, einer Frau zu begegnen, die keine sexualisierte Gewalt erlebt hat oder erlebt haben wird.“

Kelly (Shari Crosson, l.) interviewt Anna (Emma Drogunova).
© WDR/Gaumont/Thomas Kost

Wie würden Sie rückblickend die Arbeit für den Film beschreiben? Was haben Sie persönlich aus dieser Zeit mitgenommen?
„Die Zusammenarbeit war sehr toll. Ich hatte wundervolle Kolleg:innen und eine sehr offene liebevolle Regisseurin. Wir haben uns alle miteinander sehr wohl gefühlt. Das ist ohnehin wichtig, aber bei einem solchen Thema unumgänglich. Ich hatte das Gefühl es mit Menschen zu tun zu haben die mit sehr viel Liebe und Empathie an das Thema gehen. Anders hätte ich es mir auch nicht vorstellen können.

Mir ist in der Arbeit stark aufgefallen, wie wenig man offen über Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe spricht und wie schambehaftet und stigmatisiert es ist. Alleine das Wort Vergewaltigung ist so schambesetzt und löst so viel innere Abwehr aus. Es hat eine solche Macht. Darüber mach ich mir viele Gedanken und das beschäftigt mich auch noch nachhaltig. Wie kann man ein solch großes gesellschaftliches Problem lösen, wenn man nicht mal darüber reden kann? Wie kann man dieses Verbrechen entmachten, ohne ihm die Größe abzusprechen, die Zerstörung, die es anrichtet?“

Was verbinden Sie mit dem titelgebenden Satz: „Vergewaltigung ist nichts, was uns passiert“?
„Ich finde, dass in dem Satz auch eine gewisse Überheblichkeit drinsteckt. Eine Ignoranz. Ich glaube, damit spielt er auch. Es ist unendlich traurig, wie viel Energie man als weiblich gelesene Person aufbringt, um zu vermeiden, sexualisierte Gewalt zu erfahren. Und es ist eben auch fast unmöglich sich komplett davor zu schützen. Frauen wird beigebracht, welches Verhalten dazu führen kann vergewaltigt zu werden. Das ist nicht nur unfassbar misogyn und problematisch sondern de facto falsch. Um die Verantwortung abzugeben, die Männer übernehmen müssten. Wie wäre es mal mit einem, ‚Don’t Rape‘-Workshop für Männer, anstatt Selbstverteidigung für Frauen?“

Stand: 17.01.2023, 16.00 Uhr