Bundesverkehrsministerium will offenbar Seenotrettung im Mittelmeer behindern

Bundesverkehrsministerium will offenbar Seenotrettung im Mittelmeer behindern

Seenotrettung

© Renata Brito/AP/dpa

Nach Informationen des ARD-Magazins MONITOR plant das Bundesverkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) eine Verschärfung der Schiffssicherheitsverordnung und trifft damit massive Teile der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums hervor, der MONITOR vorliegt.

Laut dieses Entwurfs sollen Schiffe mit "politischen (…) und humanitären Aktivitäten oder vergleichbaren ideellen Zwecken" nicht mehr zum Freizeitbereich gehören. Die Folge wären enorme Kosten durch Umbauten, zusätzliche Technik, andere Versicherungsbedingungen und weiterer Auflagen. Betroffen sind vor allem die kleineren Schiffe, die schnell vor Ort sein können und ertrinkende Menschen aus dem Meer retten.

Seenotrettungsorganisationen sind über den Vorstoß empört: „Die Verordnung bedeutet, dass unser Schiff aus dem Verkehr gezogen wird. Das bedeutet für die Menschen in Seenot, dass sie noch ein Schiff weniger haben, was sie vielleicht rettet. Das bedeutet viele, viele Tote“, sagt Axel Steier von „Mission Lifeline“.

Die Organisationen befürchten, dass sie durch das neue Gesetz nicht weiter retten können und ihre Arbeit vorerst einstellen müssen. „Für uns besteht ganz klar das Risiko, dass diese Verschärfungen der Sicherheitsanforderungen uns komplett blockieren würden, weil der Mehraufwand in finanzieller Hinsicht nicht zu stemmen wäre“, so Stefen Seyfert von „Reqship“.

Die geplante Verschärfung hat besondere Brisanz angesichts des Unglücks am vergangenen Sonntag: Mindestens 63 Geflüchtete, darunter 13 Kinder, waren vor der Küste Italiens ertrunken. Insgesamt sind im vergangenen Jahr mindestens 2406 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer gestorben oder werden vermisst, so UN-Angaben.

Die Pläne stehen im Widerspruch zum Koalitionsvertrag der Ampelkoalition. Darin heißt es: „Die zivile Seenotrettung darf nicht behindert werden."

Das Bundesverkehrsministerium hatte bereits 2019 unter Minister Andreas Scheuer (CSU) gezielt versucht, den zivilen Seenotrettungsschiffen unter deutscher Flagge auf gleiche Weise massiv zu behindern. In der Folge wurde ein Schiff festgesetzt.

Damals wurde die Änderung durch die Klage einer Seenotrettungsorganisation unwirksam, das Gericht sah Verfahrensmängel. Nun unternimmt das Bundesverkehrsministerium einen erneuten Versuch, diesmal unter Minister Volker Wissing (FDP).

Der grüne EU-Parlamentarier Erik Marquardt kritisiert das Vorhaben scharf. Im MONITOR-Interview sagt er: „Wir werden uns als Partei, natürlich auch als Regierungsfraktion dafür einsetzen, dass der Koalitionsvertrag eingehalten wird. (...) Und diese Schiffe zu behindern wäre ein ganz klarer Angriff auf die zivile Seenotrettung.“

Das Bundesverkehrsministerium antwortete auf MONITOR-Anfrage, „das Vorhaben zielt nicht auf die Behinderung von privater Seenotrettung im Mittelmeer ab“, sondern darauf „deren Arbeit abzusichern“.

Stand: 28.02.2023, 16.00 Uhr