Regine Ahrem (Regisseurin „Das besondere Hörbuch“)

Deutscher Hörbuchpreis

Regine Ahrem (Regisseurin „Das besondere Hörbuch“)

Deutscher Hörbuchpreis 2023

Mathias Hoheisel (Geschäftsführer Deutscher Hörbuchpreis) übergibt die Urkunde für das "Besondere Hörbuch" an Regine Ahrem".
© WDR/Ben Knabe

„Der Ring der Nibelungen“ ist eines der komplexesten Bühnenkunstwerke der Musikgeschichte. Wie kamen Sie auf die Idee, die Oper ins Hörspiel zu setzen?

Die Ursprungsidee kam tatsächlich von dem Filmregisseur Samir Nasr bei einem gemeinsamen Abhören. Tonmeister Peter Avar – als alter Wagnerianer – und ich waren sofort überzeugt: das ist eine große Chance, aber auch eine große Herausforderung. Als ich mich dann näher mit dem Stoff befasste, stellte ich verwundert fest, wie sehr doch das Ganze ein Fantasy-Stoff reinsten Wassers ist und wie viele Parallelen zwischen „Der Herr der Ringe“ und „Der Ring des Nibelungen“ bestehen, wobei sich natürlich Tolkien kräftig bei Wagner bedient hat. Und dann enthält er auch – moderner geht’s nicht – ein „grünes“ Narrativ: Der Mensch, der in seiner entgrenzten Gier nach Macht und Ruhm den Zustand der Natur ins Ungleichgewicht bringt.

Wie aufwändig war die Produktion? Was steckt alles an Vorbereitungen dahinter?

Es war mir wichtig, die Vorlage ernst zu nehmen, ohne sie ehrfürchtig zu duplizieren. Ich habe zwar die ganze Geschichte auf der Grundlage der berühmten Libretti von Wagner erzählt, aber diese Libretti sind ursprünglich in Stabreimversen gehalten und bestehen aus Hunderten von historisierenden oder schlicht frei erfundenen Wortschöpfungen. Hier bedurfte es quasi einer kompletten Neuübersetzung, die das Wagnersche Idiom in ein zeitgemäßes Hochdeutsch überträgt.

Das hatte auch Konsequenzen für den Umfang des Materials. In der Oper besteht ein Großteil der Szenen aus Redundanzen, in denen einmal Geschehenes noch und noch mal erzählt wird. Für die Dramaturgie der Oper mag das sinnvoll sein, für das Hörspiel aber habe ich mich für einen stringenten und spannenden Erzählverlauf entschieden.

„Der Ring der Nibelungen“ wurde nominiert für „Das Besondere Hörbuch“. Was ist das Besondere an dieser Neuinterpretation und wie aktuell ist die Geschichte, um die es geht, heute noch?

Auch wenn das Werk von einer mythischen Welt mit Zwergen, Riesen, Halbgöttinnen und Göttern erzählt: Mühelos lässt sich die Grundkonstellation der Geschichte auf die Verwerfungen heutiger Gesellschaften übertragen. Das große Thema im „Ring des Nibelungen“ ist ja der ewige Widerstreit von Macht und Liebe, wobei die Macht mit Besitz und Gier und die Liebe sowohl mit der Natur als auch mit der Idee der Freiheit untrennbar verbunden sind. Diese beiden Antipoden werden jeweils von Männern bzw. Frauen repräsentiert. Paradigmatisch in diesem Sinne ruft Erda Wotan in ihrer letzten Begegnung zu: „Ich habe genug von dir und deinen Männertaten“. Diese in der Oper inhärent angelegte, aber nicht ausformulierte Kraft der Frauen wurde für die Hörspielbearbeitung herausgearbeitet und verstärkt. Erda, die Figur der Erdmutter, ist das utopische Moment im „Ring“. Sie steht für eine Befreiungsbotschaft, dafür, dass es einen Weg zurück gibt in den natürlichen Unschuldszustand der Dinge. Die erlösende Welttat bleibt dann Brünhilde vorbehalten. Sie vollzieht die finale Wiedergutmachung, die das Ungleichgewicht der Welt wieder ins Gleichgewicht bringt.

Stand: 28.02.2023, 21.30 Uhr