Martina Eitner-Acheampong als EU-Parlamentarierin Gesine
Martina Eitner-Acheampong als EU-Parlamentarierin Gesine
Martina Eitner-Acheampong
© WDR/imago images/Horst Galuschka
„Parlament“ ist eine Comedy über das Europäische Parlament. Darf man über die EU lachen?
Über sich selbst, also – über uns, also – auch über die EU lachen zu können, ist ein Zeichen von entspanntem Selbstvertrauen. Letztlich lachen wir ja nicht über Institutionen an sich, sondern über das Verhalten und die Situationen der Menschen, die in ihnen arbeiten. Und in denen wir, gern mal überspitzt gesagt, uns selbst wieder erkennen. Wie Ernst Jandl schon schrieb: …wo bleibb darrr hummmoooooaaarrrrrr…
Wieviel Wahrheit steckt in der Serie?
Weiß ich nicht! Ehrlich! Ich sag die Wahrheit! Ich hoffe, 30 Prozent, befürchte allerdings 80 Prozent!
Die Serie macht sich über die bürokratische Verwaltung in Straßburg und Brüssel lustig. Kann man die Serie auch ohne Insiderwissen verstehen?
Jaaa, das Spiel mit der Macht, die Finten, die Verlogenheiten, das echte Bemühen, das Ungeschick, die Hoffnung, die Dummheit, Sex, Hass und Ego – alles menschliches Verhalten und Gefühle, welche man ÜBERALL, tatsächlich überall findet – im Büro, im Krankenhaus, den Firmen und Konzernen, im Theater, in der Capitol-Versicherung, in den Sendern…
Was haben Sie beim Dreh zur Serie über die EU gelernt, was Sie vorher noch nicht wussten?
Was im Zusammenhang mit dem EU-Parlament die Lobbyisten sind. Ich dachte, sie seien ausschließlich Interessenvertreter der Wirtschaft, die unfairer Weise Politiker in ihrem eigenen Interesse beeinflussen. Das es auch ein Beruf ist, den man erlernen kann, in dem es um Informationen für die Abgeordneten geht, war mir so nicht klar. Aber natürlich ist ja auch die Weitergabe von Informationen selektiv und kann beeinflussen…
Mir war auch nicht klar, dass dieses Parlamentsgebäude in Straßburg so viel Zeit im Jahr einfach leer steht!!!! Bis auf die Touristen und Mitarbeiter.
Und: diese Wege durchs Parlament!!! Es ist riesig! Verwirrend! Man verläuft sich! Man ist abends fix und fertig vom durch die Gänge-Gerenne! Na gut, ich bin abends fertig!
Die Serie spielt mit Klischees über die verschiedenen Nationen. Erkennen Sie sich im Bild, was von den Deutschen gezeichnet wird, wieder?
Ja! Nette Härte! Wie Frau Merkel!
Die unterschiedlichen nationalen Rollen wurden ausschließlich mit Schauspieler:innen aus den jeweiligen Ländern besetzt. Ein babylonisches Sprachgewirr? Welche Sprache wurde am meisten am Set gesprochen?
Am meisten Französisch, natürlich, und Englisch, auf sehr verschiedenen Leveln… Mein Englisch z.B. klingt sehr ostdeutsch (da komme ich her), der Sound ist schön „merkelig" und, da ich Englisch dann nach der Wende in Ghana gelernt habe, ist es recht einfach gestrickt!
Irgendwann gab es ein sehr lustiges Sprachchaos bei unserem großartigen Regieassistenten Moritz: Er ist Deutsch-Muttersprachler, spricht fließend Französisch und Englisch, ab einem bestimmten Punkt mischte sich alles in seinem Kopf und es gab schöne Momente der Sprachverwirrung, weil er halt alle drei Sprachen zu gut konnte und nicht mehr wusste, welche er gerade spricht. Am Ende sind ja die Worte nicht alles, mit gegenseitigem Einfühlungsvermögen haben wir uns alle immer verständigen können!!!
Empfehlen Sie den Zuschauer:innen, sich die trilinguale Original-Fassung mit Untertiteln anzuschauen oder die Synchronfassung?
Ich würde die trilinguale Originalfassung schauen, damit man in den Genuss der Sprachen und jeweiligen Akzente kommt. Wobei die Synchronfassung sicher auch großartig sein wird, z.B. für jemand, der nicht so gern mit Untertiteln schaut.
Würde es Sie persönlich reizen, in die Politik zu gehen?
Nein. Weil die Verantwortung, die man sich auflädt, zwar schön für den Gestaltungswillen sein kann, aber viele Bürger wertschätzen den Mut gar nicht, sich dem zu stellen. Es ist nicht leicht, und man wird auf jeden Fall in Fettnäpfe treten und dieses ganze Bashing, als wären Politiker gar keine normalen Menschen, die zumindest was bewirken wollen, geht mir mächtig auf den Keks.
Wenn ihre Figur echt wäre… was schätzen Sie an ihr und welche Tipps würden Sie ihr geben?
Gesine hat Spaß am Taktieren, an den Machtspielchen, die dort gang und gäbe sind und geht mit ihrer Mutti/Oma-Attitude allen auf den Geist. Aber ein Herz hat sie auch, sie flirtet gern und ist romantisch veranlagt. Genau wie ich! (Äh, nee, Spaß! Obwohl...) Mein Tipp für sie: Gesine, such Dir längerfristige Verbündete, dann kannst Du noch in Deinem Alter was reißen!
Stellen Sie sich vor, Sie würden Schülerinnen und Schülern in hundert Jahren die EU erklären müssen…
Willkommen, liebe Schüler:innen und diverse Lernende!
Wie Ihr sicher schon gehört habt, gab es im letzten Jahrhundert bereits eine Vorstufe unserer heutigen Weltregierung: die Europäische Union! Es war eine gute Idee, die allerdings bei vielen Bürgern große Ängste auslöste, da es noch lange Zeit große Vorbehalte gab, selber verantwortlich zu sein. Darum dachten viele, sie kämen in der Staatengemeinschaft zu kurz, obwohl das Gegenteil der Fall war. Wirtschaftsräume kamen zusammen, die gemeinsame Währung half, es gab einfach weniger Abgrenzung und Grenzen... man musste, um Regeln zu finden, miteinander reden. Das war ein guter Start. Alles musste natürlich noch zusammenwachsen und sich finden… In den 2020gern gab es große Herausforderungen, da gab es... na, wer weiß es? … Ja, richtig, die erste Covid19-Pandemie, und was noch?
Ja, genau: den Brexit gab es auch…verrückte Sache das! Gut, dass später die Jugend den Brexit rückgängig machte. Und den letzten großen Krieg, in der Ukraine, richtig! Ihr seid toll informiert! Ach so, ja, alles im Kopfimplantat gespeichert, ne! Aber die Infos gut gefunden, Kinder! Nun, wie wir jetzt wissen, war diese Abtrennung und die angstbesessene Rückkehr zum Nationalismus nicht von so langer Dauer, dass es uns zuletzt vom größeren Problem des Klimawandels abgelenkt hat. Uns sei Dank! Die EU hat schon Strukturen und Abläufe getestet, die, bei aller Anfälligkeit, unschätzbare Erfahrungen brachten für eine Weltenregierung! Auch eben, wie man es lieber NICHT machen sollte! Die Verschmelzung der UNO mit der EU und Gesamt-Amerika, das Vereinte-Föderale-Asien und die Länder der Hohen-Arabischen-Gemeinschaft sowie der aufstrebenden Kontinental-Afrikanischen-Union zur Nord-Süd-West-Ost-Allianz gab uns noch einmal eine Chance, unsere einzige Heimat, den blauen Planeten, zu retten und Ihr, die Jugend, werdet das hoffentlich weitertragen und verwirklichen. Ihr seid Weltbürger und begonnen hat das alles mit der Europäischen Union.
Stand: 09.09.2022, 13.15 Uhr