Ein Gespräch mit WDR-Redakteurin Caren Toennissen, Regisseur Stephan Lacant und Produzent Peter Hartwig
Ein Gespräch mit WDR-Redakteurin Caren Toennissen, Regisseur Stephan Lacant und Produzent Peter Hartwig
© WDR/Ludolf Dahmen
Was ist an dieser harten Geschichte so wichtig?
Caren Toennissen: „Mich hat an der Geschichte von ‚KALT‘ sehr berührt, dass es sich um ein Drama handelt, das jedem von uns passieren kann. Eine kleine Unachtsamkeit, vielleicht ein Momentversagen und von jetzt auf gleich steht dein komplettes bisheriges Leben Kopf. Nichts ist mehr so, wie es war. Wie lebt man damit? Berührt daran hat mich sehr, dass ein Mensch wie Kathleen gegen alle Widerstände und Beratungsimpulse, für sich selbst stoisch auf der Suche nach der ‚Wahrheit‘ bleibt. Auf der Suche nach ihrem Anteil an Verantwortung an der ergangenen Katastrophe. Verdrängung und Verleugnung funktionieren für Kathleen nicht. Einzig die Akzeptanz von dem, was war. Ihr Blick geht unnachgiebig in den ungewollt hinterlassenen Schmerz. Denn erst dahinter wird es vielleicht irgendwann die Aussicht auf ein ‚Weiterleben in Verantwortung‘ geben. Es geht also um mehr als Zivilcourage. Es geht um (Er)Haltung, und um radikale Selbst-Verantwortung. Eine Tugend, die ich persönlich in diesen Zeiten zuweilen vermisse.“
© Robin Kater
Wie nähert man sich dem Stoff hier als Regisseur an?
Stephan Lacant: „Wir hatten viele Vorgespräche und haben uns über viele Themen unterhalten ... was einen antreibt, was einem wichtig ist. Wir haben über Kinder gesprochen, über Schmerz, über Traumata und wie man sie überwinden kann. Daraus versuchen wir dann organisch die Figur zu entwickeln, etwas mitzunehmen, das man dann in den Film mittransportiert.“
Der Film spielt im kleinstädtischen, ländlichen Umfeld. Warum?
Peter Hartwig: „Wir wollten die Geschichte so universell wie möglich erzählen, so dass sie in jeder Stadt oder in jeder Region unseres Landes spielen könnte. In all ihrer Normalität und in ihrem Alltag und eben an keinen bestimmten Ort gebunden. Es ist besonders bedrückend für die Situation unserer Protagonisten, weil jeder jeden kennt. Und insofern haben wir versucht, alle Spielorte nah anzubinden. Die Kita, in der Kathleen arbeitet, das Polizeirevier und die Natur spielen eine große Rolle. Auch die Wahl des Wohnhauses unmittelbar am Waldrand war uns wichtig, denn die Natur ist zwar der Unglücksort, aber auch der Ort, wo Kathleen vorher mit ihrem Mann und Sohn glücklich war.“
Stephan Lacant: „Die Natur ist für uns ein ganz wichtiger atmosphärischer Faktor, denn es geht auch um die innere Reise, die unsere Hauptfigur macht. Eine Reise zu sich selbst, zu sich zu stehen, die Konsequenzen in Kauf zu nehmen, wenn sie die Wahrheit sagt. Sie findet hier in der Natur so eine Art von Befreiung. Und Kathleen kommt irgendwie wieder bei sich selber an, reflektiert ihre, ich nenne es mal ‚Lebens-Fabrik‘. Wir gehen morgens zur Arbeit, wir kommen nach Hause, die Zeit verrinnt irgendwie, das Leben rast vorbei und man ist in dieser Fabrik gefangen. Und wenn man dann hier so rausgerissen wird, meist durch einen tragischen Vorfall, realisiert man wieder andere Dinge.“
Es geht auch die Frage, wie belastet in unserer schnelllebigen Zeit sind, gerade im Bereich der Kindergärten und Kitas. Welche Impulse wollen Sie setzen?
Caren Toennissen: „Gerade weil die Zeiten sind, wie sie sind, so rasant und wild und schnell, ist es doch wichtiger denn je, für unbedachtes Handeln oder gar Fehlverhalten, für Missgeschicke oder Momentversagen, fürs ‚Mensch-Sein‘, grade zu stehen. Ich spreche von Eigenverantwortung. Und von Mit-Verantwortung. Von Gradlinigkeit. Manchmal auch davon, bereit zu sein, gegen den Strom zu schwimmen, vielleicht, um ein ‚Kind zu retten‘.“
© Ruby O. Fee
Nach welchen Kriterien sind die Rollen besetzt worden?
Peter Hartwig: „Es war natürlich die große Frage, wer Kathleen spielen wird. Uns war besonders wichtig, diejenige zu finden, die in unseren Augen die ‚Richtige‘ ist. Unabhängig von einem Bekanntheitsgrad, es musste jemand sein, der das verkörpert, was Kathleen für uns alle ausmacht. Wir haben uns für Franziska Hartmann entschieden, weil sie genau diese Glaubwürdigkeit mitbringt, die eine solche Figur ja auch braucht. Und weil sie von Hause aus eine gute Energie mitbringt. Die Figur ihres Mannes ist eher ein kleiner Gegenpol, er ist ruhiger, ein wenig ausgleichender, steht hinter Kathleen, auch wenn er sie nicht immer versteht. Božidar Kocevski spielt diese Rolle wunderbar facettenreich. Aber auch alle anderen Rollen wollten wir so glaubwürdig wie nur möglich besetzen und haben ganz tolle Schauspielerinnen und Schauspieler und auch wunderbare Kinderdarsteller gefunden.“
Stand: 22.09.2022, 09.00 Uhr