„Griegs Musik hat uns die ganze Zeit getragen“

„Griegs Musik hat uns die ganze Zeit getragen“

Moderatorin Tamina Kallert über das „Norwegenfeeling“, ihr Dreamteam und Herzensmomente

Moderatorin Tamina Kallert
© WDR

Tamina Kallert moderiert das WDR-Reisemagazin seit über 15 Jahren. Sie sah viele Länder, Regionen und Städte, begegnete zahlreichen Menschen, führte ebenso viele Gespräche, stellte sich sportlichen und anderen Herausforderungen – und lässt Zuschauer:innen immer wieder ihre Begeisterung spüren für das, was sie erlebt. Aber die musikalische Reise für die „Wunderschön“-Folge „Norwegens Westen. Vom Sognefjord nach Bergen“ war für die erfahrene Reisejournalistin und Moderatorin etwas ganz Besonderes. Warum? Das erzählt sie im Interview:

Sie waren schon mehrfach in Norwegen, auch für „Wunderschön“. Worin liegt Ihre Faszination für das Land?

Ich durfte für „Wunderschön“ bereits die Hurtigruten befahren, habe Adler, Gletscher und den Gezeitenstrom erlebt. Norwegen ist ein Sehnsuchtsland. Da gibt es so viel Weite. Da kann ich mich einfach hinstellen und gucken – und einatmen und ausatmen. Die Natur ist so groß und kraftvoll. Das beeindruckt mich immer wieder. Sie ist großartig. Natur bewertet nicht, sie braucht dich nicht, sie ist einfach da.

Andere Länder haben auch viel Natur. Was genau ist an Norwegen anders?

Norwegen zieht uns in seinen Bann: diese hochaufragenden, steilen Berge, die ins Wasser eintauchen und sich gleichzeitig in der glatten Oberfläche der Fjorde spiegeln. Die herzlichen, naturverbundenen Menschen. Diese majestätischen Wasserfälle. Da fühle ich mich als Mensch ganz klein und demütig. Es sind bleibende Eindrücke, die man von so einer Reise mitnimmt und immer wieder aufleben lassen kann.

Aber an den schönsten Orten sind doch immer auch die meisten Menschen. Wie gehen Sie damit um?

Natürlich können berühmte Aussichtspunkte auch in Norwegen überlaufen sein. Zum Beispiel der imposante Kjosfossen Wasserfall, an dem man auf der Fahrt mit der Flambahn durch die bergige Harry-Potter-Welt anhält. Dort habe ich dieses Naturerlebnis nicht alleine für mich, sondern teile diese Kraft und Schönheit mit anderen. Das ist okay.

Sie zeigen in dem Film auch Orte, an denen nichts los ist. War das Absicht?

Ja. Es gibt in Norwegen genügend Natur für alle. Viele Orte, die atemberaubend sind, und wo jeder auch alleine seinen persönlichen Glücksmoment erleben kann. Meine Empfehlung ist, ein oder zwei Highlights zu besuchen, sich aber auch überraschen zu lassen. Einfach mit offenen Augen und Ohren unterwegs sein und mit allen Sinnen dieses Norwegenfeeling aufnehmen.

Wann hatten Sie denn Ihr Norwegenfeeling?

Das fing schon mit der Musik an, die vor meinem inneren Auge Bilder entstehen ließ. Ich saß im Auto, fuhr durch eine atemberaubende Landschaft und hatte die „Morgenstimmung“ von Edvard Grieg im Kopf. Die Vorfreude darüber, dass der australische Komponist Gordon Hamilton diese Reise individuell vertonen würde – mit der „Morgenstimmung“ als Grundthema – und dass das WDR Funkhausorchester unter der Leitung von Frank Strobel diese Musik dann einspielen wird, hat uns die ganze Zeit über getragen und inspiriert. Wie wunderschön „Norwegens Westen. Vom Sognefjord nach Bergen“ geworden ist, kann man am Sonntag, 19. Juni 2022 um 20.15 Uhr im WDR sehen.

Sie sprechen von „uns“. Also auch für Ihr Team?

Ja. Unbedingt. So ist ein Gesamtkunstwerk entstanden, zu dem die „Wunderschön“-Redakteurin Christiane Möllers die Idee hatte. Und das ganze Team hat diesen Spirit mitgetragen. Wir waren ein Dreamteam, alle beseelt von dieser Idee. Uns allen ist es ein besonderes Anliegen, dass dieser Film eine musikalische Seele hat, dass der Funke überspringt zu den Menschen, die ihn sehen. Und die schönsten Momente sind die, die man mit anderen teilt.

Was waren Ihre „schönsten Momente“?

Ein Herzensmoment war die Begegnung mit der Stargeigerin Ragnhild Hemsing. Ich kannte sie schon durch eine gemeinsame Arbeit mit dem Funkhausorchester. Für den Film trafen wir uns im Grieg-Museum in Troldhagen bei Bergen wieder, in dem Haus, in dem der Komponist 22 Jahre lebte. Ich durfte sogar die Hardangerfiddel, das Nationalinstrument Norwegens, spielen, was mich mit Ehrfurcht erfüllt hat. Musik ist für mich eine faszinierende Seelenwelt; mit nichts vergleichbar, nicht ersetzbar. Das möchte ich auch unseren Kindern mitgeben. In meiner Familie spielen fast alle ein Instrument, unsere Tochter in vierter Generation Geige, unser Sohn spielt Cello und beide Kinder spielen auch Klavier.

Glauben Sie, dass der Funke überspringt? Können die Zuschauer:innen das besondere Norwegen-Gefühl nachvollziehen?

Ganz bestimmt! Ich glaube, wer sich einfach zurücklehnt und einlässt auf den Film und die Musik, der wird die Welt ein bisschen mit anderen Augen sehen. Die Zuschauer:innen können auf ihre ganz eigene Reise gehen, mit persönlichen Eindrücken und Erkenntnissen. Es gibt viel Luft und Raum zwischen Musik und Bild – passend zur Landschaft. Und zum Schluss spielt Ragnild Hemsing in diesem wunderbaren Konzertsaal in Griegs Garten ein norwegisches Volkslied. Der Blick gleitet von der Bühne durch das große Fenster auf den kleinen Pavillon, in dem Grieg komponierte, zwischen den Bäumen hindurch auf den offenen Fjord. Und dann geht die Geigenmusik in die Filmmusik über. Das ist ein Magic-Moment. Mehr Norwegen geht nicht.

Mit Tamina Kallert sprach Petra Berthold

Stand: 07.06.2022, 12.00 Uhr