Interview mit Esra und Patrick Phul
Interview mit Esra und Patrick Phul
Esra und Patrick Phul sind die Schöpfer:innen der Serie. HYPE ist die erste Fiction Produktion ihrer Firma Picture Me Rollin‘, mit der sie den Grundstein legen wollen für Geschichten, die von ihrem Leben und ihrem Viertel erzählen. Als Autor:innen, Regisseur:innen und Koproduzent:innen möchten sie marginalisierten Gruppen vor und hinter der Kamera eine Stimme geben. Nicht aus dem „Ghetto“, sondern aus ihrem Viertel Porz, mit den Menschen, die es betrifft und den Talenten, die sonst kaum eine Chance bekommen.
Esra und Patrick Phul
© WDR/Taimas Ahangari
HYPE spielt in Köln Porz, Sie sind selbst dort aufgewachsen. Wie kam es zu der Idee, eine Serie mit diesem regionalen Fokus umzusetzen?
Patrick Phul: Porz hat in meinem Leben immer eine große Rolle gespielt. Ich glaube dadurch, dass wir so weit weg von der Innenstadt Kölns leben und uns isoliert fühlen, ist ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden. Wir sind ausgegrenzt, aber fühlen uns deswegen auch besonders und representen gerne. Es gibt sehr schöne und wohlhabende Ecken in Porz, aber ein paar Meter weiter ist man auch direkt im Plattenbau. Hier bin ich aufgewachsen. Leute außerhalb haben ein gewisses Bild von uns, meistens negativ. Für die sind wir nur die Asozialen, die vor dem Kiosk abhängen. Ich habe mich außerhalb meines Umfeldes nie verstanden gefühlt, und um ehrlich zu sein, hat auch niemand wirklich Interesse an unserer Lebensrealität gezeigt. Diese werden wir jetzt mit unserer Serie zeigen. In all ihren Facetten. Hier gibt es so viele talentierte Jugendliche, denen nie eine Möglichkeit gegeben wird, ihr Können unter Beweis zu stellen. Deswegen war uns auch von Anfang an klar, dass wir Jugendliche aus unserem Viertel mit einbinden, sowohl vor als auch hinter der Kamera. Denn nur jemand, der wirklich in solch einer Gegend aufgewachsen ist und kennt, kann die Geschichte so erzählen wie wir es tun.
Esra Phul: Ich selbst bin übrigens nicht in Porz aufgewachsen. Ich bin aus Rösrath. Ich habe Patrick mit 17 Jahren kennengelernt und habe seitdem meinen Freundeskreis hier in Porz. Seit vier Jahren wohne ich aber auch hier. Damals in Rösrath war ich die einzige in meinem Freundeskreis mit Migrationsgeschichte und die einzige, die aus ärmeren Verhältnissen kam. Alle meine Freundinnen haben in großen Häusern gewohnt, sie hatten teilweise Pools in ihren Gärten oder ganze Etagen für sich alleine, während in unserer Wohnung meine Eltern nicht mal ein eigenes Schlafzimmer hatten und ich immer ein Zimmer mit meiner Schwester geteilt habe. Es war nicht immer einfach für mich, weil ich immer dachte, dass wir nicht normal sind, weil alle um mich herum anders waren als ich. Als ich Patrick und seine Freunde kennengelernt habe, war ich plötzlich in einem Umfeld, wo alle so waren wie ich. Ich hatte plötzlich ein ganz anderes Zugehörigkeitsgefühl und hab bei denen das gefunden, was ich in Rösrath immer vermisst habe. Deswegen hat Porz für mich auch eine ganz besondere Bedeutung. Hier konnte ich auf einmal ich selbst sein.
Wie viel Ihrer eigenen Geschichten und Erfahrungen stecken in der Serie?
Esra Phul: Jede Geschichte, die wir bei HYPE erzählen, ist so oder so ähnlich wirklich passiert. Entweder sind die Geschichten direkt von uns beiden oder von unseren Freunden und Bekannten. Meine Erfahrungen verarbeite ich in der Figur Hava. Hava bekommt jeden Tag zu spüren, wie sehr ihr Alltag nichts mit dem ihrer Schulfreundinnen zu tun hat. Und genau dasselbe Problem hatte ich in meiner Jugend auch.
Patrick Phul: Ich habe in meiner Jugend auch gerappt und hatte damit zu kämpfen, einen festen Job zu finden und gleichzeitig meinen Traum von einer Musikkarriere nicht aufgeben zu müssen – so wie der Hauptcharakter Musa. Und wenn man in einem Plattenbau wie in Porz aufwächst, kommt noch hinzu, dass man andauernd mit kriminellen Möglichkeiten, Geld zu machen, verführt wird. Es ist eine starke Willenskraft und eine große Portion Glück notwendig, um nicht dort reinzurutschen. Gott sei Dank ist es bei mir bisher positiv verlaufen. Und jetzt kann ich mit HYPE den Struggle und Schmerz verarbeiten, den gleichzeitig tausende von weiteren Jugendlichen in Deutschland kennen und durchmachen.
HYPE ist als Musical angelegt und hat, neben den authentischen Darsteller*innen, auch vielen energiegeladene Tanzszenen. Welchen Stellenwert nimmt in der Serie der Deutsch-Rap ein?
Esra und Patrick Phul: Deutsch-Rap ist uns sehr wichtig, da wir mit dieser Musik aufgewachsen sind. Wir waren beide auch schon immer Musical Fans, aber mit der Musik, die dort genommen wurde, konnten wir nicht immer so viel anfangen. Meist sind es ja eher Popsongs bei Musical Serien. So kam uns die Idee, selber eine Musical Serie zu machen, aber eben mit modernen Deutsch-Rap-Songs, die wir selber auch hören würden. Und damit es auch wirklich authentisch wird, weil uns Authentizität so wichtig ist, war für uns klar, dass wir tatsächliche Rapper casten, anstatt irgendwelche Schauspieler zu nehmen und die dann rappen zu lassen. Mit Frio als Beatproduzenten (produziert u.a. für Shirin David, Mero, Elif) und Dayan Raheem als Choreographen (u.a. für Loredana, Apache, Capo) haben wir uns zwei der talentiertesten Leute aus der Deutschrap-Szene ins Team geholt, um HYPE auf der Höhe der Zeit klingen und aussehen zu lassen.
Stand: 14.04.2022, 14.00 Uhr