Lilly Bogenberger (Drehbuchautorin)

Flügel aus Beton

Lilly Bogenberger (Drehbuchautorin)

Lilly Bogenberger

Lilly Bogenberger
© David Weichelt

Die Münchnerin Lilly Bogenberger (*1992) arbeitete nach der Schule für diverse Produktionsfirmen als Praktikantin, bis sie realisierte, dass ihre Leidenschaft im Schreiben liegt. Daraufhin studierte sie an der ifs Köln „Serial Storytelling“, ein Master-Studiengang mit Schwerpunkt Serienentwicklung. Schon während des Studiums schrieb Bogenberger Drehbücher, unter anderem für die RTL-Serie „Der Lehrer“. Seit Abschluss des Studiums schreibt Bogenberger an diversen Serien und mehreren 90-Minütern.


Wie kamen Sie auf die Idee zum Film?

Lilly Bogenberger: Die Idee kam mir, als ich eine Reportage über die „Blue Whale Challenge“ gesehen habe. Die ist ja mittlerweile zu fast 100 Prozent als Fälschung entlarvt, aber die Idee eines Spiels, mit einem Fremden, dessen letzte Aufgabe Suizid ist – das hat mich nicht mehr losgelassen. Als Jugendliche habe ich selbst mit Depressionen gekämpft und wusste sofort: Ich kann nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass ich nicht selbst so jemandem auf den Leim gegangen wäre. Und weil ich Autorin bin, schreibe ich einen Film darüber, wenn mich etwas interessiert...

Was ist für Sie das zentrale Thema des Films?

Lilly Bogenberger: Das zentrale Thema des Films ist die Einsamkeit einer Depression. Was diese Einsamkeit mit einem macht, inwieweit sie selbst gewählt ist, und wie man sich dadurch verwundbar macht. Man will ja stark sein, man will der Depression nicht nachgeben. Aber wenn man mittendrin steckt, dann fühlt es sich oft „stark“ an, mit niemandem darüber zu reden, es ganz alleine zu schultern und seine Mitmenschen nicht damit zu „belästigen“, oder „mit hineinzuziehen“ – oder auch „mit runter“. Es fühlt sich dann an wie Schwäche, wenn man um Hilfe bittet, wenn man sagt, man kann nicht mehr, man hat Suizidgedanken oder ist ständig traurig. Man isoliert sich selbst – das ist die Krankheit. Aber weil wir empfindliche Menschenwesen sind und uns dann doch danach sehnen, verstanden, gesehen und angenommen zu werden, macht man sich verwundbar für Menschen, die genau da einhaken. Menschen, die einen in dieser Einsamkeit noch weiter isolieren. In „Flügel aus Beton“ ist das der ominöse König Minos, in der Realität könnte es eine toxische Beziehung sein, ein falscher Heiler oder auch die Gesellschaft, die einem sagt, man soll sich „zusammenreißen“. Dabei geht der eigentliche Weg aus der Depression genau in die andere Richtung: Zugeben, dass man Hilfe braucht, ehrlich sagen, wie es einem geht. Sich trauen, sich auf andere zu verlassen und sich auffangen zu lassen.

Wie haben Sie es geschafft, sich in die jugendliche Perspektive einzudenken und diese im Film zu transportieren?

Lilly Bogenberger: Weil mein ganzer Ansatz in dem Film war, dass ich selbst vielleicht Opfer von so etwas hätte werden können, war ich beim Schreiben sowieso schon in der Perspektive der Jugendlichen. Ich schreibe unglaublich gerne jugendliche Charaktere. Diese Lebensphase ist so spannend, so pur und prägend und weniger verkopft als bei Erwachsenen. Bei Jugendlichen geht es immer ums Ganze: um das ganze Leben, die ganze Identität, die ganze Welt. Weil man als Jugendlicher noch nicht so genau weiß, wer man ist oder sein möchte, ist die Linse, durch die man die Welt betrachtet, viel flexibler. Das finde ich unglaublich faszinierend. Deswegen versuche ich auch so gut es geht, up to date zu bleiben, welche Sprache die Jugendlichen von heute sprechen. Und wenn ich mir mal nicht sicher bin, dann frage ich meinen 19-jährigen Bruder Felix, der ist eine sehr gute Recherchequelle, was das angeht (lacht).

Stand: 09.02.2022, 14.00 Uhr