Luise Emilie Tschersich als Viola
WDR-Fernsehfilm „ZERO“
Luise Emilie Tschersich als Viola
Luise Emilie Tschersich
© WDR/Volker Roloff
Freuen Sie sich auf die Zukunft oder haben sie eher Angst vor bestimmten Entwicklungen?
Ich finde das eine schließt das andere nicht aus. Ich freue mich sehr auf die Zukunft, gerade jetzt, kurz nach meinem Studienabschluss. Allerdings muss ich zugeben, dass es natürlich auch einiges gibt was mir Angst macht. Neben privaten Ängsten sind gerade die politischen und technologischen Entwicklungen auf der Welt zum Teil doch beängstigend. So große Schritte die Menschheit auch vorwärts geht, so sehr lässt sie sich auch zurückwerfen in einigen Belangen. Die Sorge dass Menschen auch in Zukunft aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Identität oder Sexualität diskriminiert werden ist bei mir sehr groß. Ebenso wie die Angst vor einer noch größer werdenden Einflussnahme der sozialen Medien auf das tägliche Leben und die Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Einzelnen.
Für wie realistisch halten Sie das Szenario, das in „Zero“ geschildert wird?
Tatsächlich halte ich das geschilderte Szenario für erschreckend realistisch. Anfangs hab ich noch gedacht das wär alles ganz weit weg. Aber während der Arbeit wurde mir bewusst, wie nah wir schon an der Handlung dran sind und dass es nicht viel mehr braucht um sich auch privat in einer ähnlichen Situation wieder zu finden.
Hat sich Ihr Nutzungsverhalten von sozialen Medien durch die Arbeit am Film geändert?
Ich würde nicht sagen dass sich mein Verhalten verändert hat. Viel mehr fühle ich mich in meinem Umgang mit sozialen Medien und meiner Sensibilität dem Thema gegenüber durchaus bestätigt. Sicherlich gibt es Aspekte die mit Vorsicht zu genießen sind, jedoch glaube ich für mich selbst mittlerweile einen gesunden beziehungsweise gesünderen Weg gefunden zu haben.
Was hat Sie beim Lesen des Drehbuchs am meisten gepackt?
Ehrlich gesagt achte ich beim ersten Lesen eines Drehbuchs oftmals nur auf meine eigene Figur und was diese so tut. Je mehr ich allerdings in die Geschichte eingetaucht bin, umso spannender fand ich die Figurenkonstellation. All diese Menschen, aus verschiedensten Altersgruppen und Umfeldern sehen sich mit dem selben Problem konfrontiert. Am interessantesten empfand ich die Beziehung zwischen Vio und ihrer Mutter. Aber auch die Form von Cyberaktivismus, welche von Zero ausging blieb mir nachhaltig im Gedächtnis. Ich glaube dass wir uns damit in Zukunft sehr real auseinandersetzen werden müssen.
Würden Sie selbst gerne mal so eine „Brille“ aufsetzen – was sind für Sie die Vor- und Nachteile eines solchen Gadgets?
Klar ist ein Reiz damit verbunden, aber ich glaube es gibt Dinge, die ich lieber nicht wissen möchte. Natürlich ist es spannend einen Menschen „durchschauen“ zu können, aber ich glaube dass es wirkliche, direkte menschliche und soziale Kontakte erschwert und ausbremst. Und sein wir mal ehrlich, jede*r hat Dinge getan oder erlebt, die er oder sie nicht von Anfang an offenlegen möchte. Das gibt anderen zu viel Macht und Wissen über das eigene Selbst.
2025 ist nicht weit hin – was ist Ihre Vorstellung von dieser Zeit?
Um Gottes Willen ich wünschte ich hätte eine Vorstellung davon. Um ehrlich zu sein mache ich mir über so etwas selten Gedanken weil ich es furchtbar beängstigend finde. Ich kann und will keine politischen Entwicklungen voraussagen. Auch Technologie und Wissenschaft sind nicht gerade meine Stärken. Aber sagen wir mal so: Wenn ich mir etwas wünschen oder vorstellen dürfte, dann hoffe ich dass wir Menschen bis 2025 in der Lage dazu sind einander zu akzeptieren und als gleichwertig anzusehen.
Sie sind als Teil der Generation Z mit Instagram und Youtube aufgewachsen. Wie nah ist die Handlung von ZERO an Ihrer persönlichen Lebenswirklichkeit?
Ich glaube ZERO ist eine sehr zugespitzte Form dessen, wie ich mein Aufwachsen mit sozialen Medien erlebt habe. Ich habe die Anfänge von Youtube und Instagram verfolgt als ich noch recht jung war und ich glaube der wirkliche BOOM kam erst später, als ich schon Einiges zum Umgang damit gelernt hatte. Dennoch kann ich mich damit identifizieren, wie viel Macht den sozialen Medien in ZERO gegeben wird. Nicht zwangsläufig weil ich so aufgewachsen bin, sondern viel mehr aufgrund meiner letzten Lebensjahre und beruflichen Laufbahn, die einen beinahe dazu zwingt soziale Medien in den eigenen Alltag zu integrieren. Zumindest fühlt es sich in meiner Wahrnehmung so an.
Sind Risiken und Gefahren eines gläsernen Menschen der jungen Generation überhaupt bewusst oder ist das gar kein Diskussionsthema?
Ich glaube je erwachsener man wird, umso bewusster wird es einem. Ich hatte zu Beginn meiner Zeit auf sozialen Medien durchaus ein Problem mit „Oversharing“ und hab einfach zu viel gesagt oder von meinem Leben gezeigt. Allerdings glaube ich kaum dass für Kinder und Jugendliche greifbar ist, wie viele Gefahren das Internet wirklich birgt. Ich würde sogar behaupten dass es Teenager heute noch schwerer haben als ich „damals“, weil noch so viele weitere Plattformen hinzugekommen sind in den letzten Jahren. Gerade TikTok hat sich zu einem außergewöhnlichen Phänomen entwickelt. Was für mich früher Schauspieler*innen und Musiker*innen waren sind heute Influencer und TikTok Stars - Vorbilder denen man nacheifern möchte, auf einer Plattform, die in den seltensten Fällen ein realistisches Bild von Persönlichkeit und Lebensumständen vermittelt. Die Gefahr etwas oder Jemanden zu glorifizieren scheint mir größer zu sein als je zuvor. Was teile ich und warum? Wer sieht das? Sind Fragen die man sich zwar stellt, aber oftmals nicht um sich zu schützen, sondern um ein möglichst ideales Bild von sich selbst an die passende Zielgruppe zu liefern. Das muss sich ändern und dessen muss auch ich mir immer wieder bewusst werden.
Während Ihrer Zeit bei der Serie DRUCK waren Sie selbst Teil einer großen Social-Media-Kampagne. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
DRUCK war aus verschiedensten Gründen eine absolut unvergleichliche Erfahrung. Nicht zuletzt weil ich meine eigene Persönlichkeit auf sozialen Medien für eine Weile beinahe abgelegt habe. Die Art wie dieses Projekt mit sozialen Medien spielt ist genauso beeindruckend wie beängstigend. Man wird auf der Straße statt mit „Luise“ als „Sara“ angesprochen, die Frage nach dem „Ist das echt?“ Wird noch öfter gestellt als bei jedem anderen Projekt, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. Ich bin unendlich dankbar über 4 Staffeln Teil dieses Projektes gewesen sein zu dürfen. DRUCK hat es geschafft eine Zielgruppe zu erreichen, ohne viel Werbung zu machen. Wie? Durch Instagram! Dennoch muss ich zugeben, dass es auch seine Schattenseiten hatte. Gerade weil meine Figur nicht die beliebteste war und es schwer viel die Rolle von der Schauspielerin zu trennen bekam ich auch gern mal etwas unangenehmere Nachrichten und Kommentare. Das sind die Momente in denen man sich bewusst wird dass man in der Öffentlichkeit steht und gesehen wird. So etwas dann nicht persönlich zu nehmen fällt schwerer als man denkt. Ich glaube aber dass ich gerade dadurch sehr viel gelernt habe, nicht nur über soziale Medien und den Umgang damit, sondern auch über mich selbst als Schauspielerin und den Umgang mit meinem eigenen Job.
Hat sich Ihr Nutzungsverhalten von sozialen Netzwerken durch diese beiden Projekte verändert?
In gewissem Maße durchaus. Gerade DRUCK spielte wirklich eine prägende Rolle, da es mir zum ersten Mal eine Form von Aufmerksamkeit brachte. Man denkt plötzlich doppelt und dreifach nach was man auf Instagram sagt oder teilt. Ich fühlte mich beinahe verpflichtet ständig etwas zu posten um interessant zu bleiben, wollte auch perfekt wirken, wie ein Idealbild zu dem man aufsieht. Aber was ich gelernt habe ist dass ich mir selbst in erster Linie treu bleiben muss. Wenn ich nichts posten möchte, weil ich mich eben mal nicht super fotogen fühle, dann lass ich es. Wenn ich politisch sein möchte, dann bin ich das. Follower kommen und gehen, aber ich möchte nicht fake sein. Ich möchte ehrlich sein. Und am Ende ist es das, was die Menschen interessiert. Ich bin völlig normal oder eben auch nicht. Ich liebe Musik, singe und spiele auf der Bühne und vor der Kamera, aber ich mag eben auch Formel 1 und Football und Videospiele. Das macht mich vielleicht nicht ideal, aber es macht mich authentisch und ich hab gelernt dass das mehr wert ist, vor allem für mich selbst, als ein „Plastik-Ideal“ mit dem sich niemand identifizieren kann. Nichts ist schöner als wenn mir junge Menschen schreiben dass die Art wie ich mir treu bleibe sie inspiriert.
Sie haben bewusst auf ein Smartphone verzichtet. Ist das immer noch so? Wenn ja, wie kam es dazu?
Naja verzichtet ist zu viel gesagt. Ich besitze eines, ja, aber ich bin ineiner Generation aufgewachsen, welche noch ohne Smartphones und Soziale Medien lebte. Ich hab draußen gespielt, Höhlen gebaut, mit Stöcken gekämpft und mich dreckig gemacht. Dafür bin ich heute unglaublich dankbar! Einfach weil es die anderen Möglichkeiten gar nicht gab. Das soll nicht heißen dass alles Neue schlecht ist, dennoch glaube ich dass es für mich die richtigere Zeit war erwachsen zu werden und eben diese Erfahrungen zu machen.
Stand: 29.09.2021, 14.30 Uhr