Pressestatement von Götz Schmedes
WDR-Fernsehfilm „ZERO“
Pressestatement von Götz Schmedes
Götz Schmedes
© WDR/ Lena Heckl
Polit-Thriller sind selten in Deutschland. Gegenüber den vielen Krimis fallen sie quantitativ kaum ins Gewicht. Dabei bietet dieses Genre enorme erzählerische Möglichkeiten. Mit “ZERO” nutzen wir diese Möglichkeiten. Wir erzählen eine sehr persönliche Geschichte, bedienen uns dafür der genre-spezifischen Spannungsmittel und werfen einen gesellschaftskritischen Blick in die Zukunft. Es geht um keine geringere Frage als die, wer darüber entscheidet, wie wir leben. Sind es wir selbst? Sind es unsere Regierungen? Oder sind es doch Wirtschaftsunternehmen? Anders formuliert geht es darum, wie es in einer digitalisierten und vernetzten Welt um den freien Willen jedes Einzelnen bestellt ist.
Dass wir bereits heute einen Großteil unserer Privatsphäre und unserer Alltagsorganisation an digitale Systeme und damit an Wirtschaftsunternehmen abgegeben haben, ist unbestreitbar Fakt. Dass wir diesen Unternehmen dabei großes, oft nahezu uneingeschränktes Vertrauen schenken, ist eine von dieser Entwicklung unlösbare Facette. Ist dieses Vertrauen gerechtfertigt? Haben wir das noch unter Kontrolle? Denken wir überhaupt noch darüber nach?
“ZERO” reflektiert, wie sich die entsprechende Abhängigkeit jedes Einzelnen in der Zukunft weiter entwickeln kann. In dem unterstellten Szenario nehmen technische Systeme und damit die dahinter agierenden Unternehmen auf eine Weise Einfluss auf unser Leben, die weit über das hinausgeht, was wir heute bereits kennen. Die Annahmen dahinter sind ganz simple Fragen: Warum sollten die gegenwärtig schon bekannten, algorithmisch generierten Kaufempfehlungen in Zukunft nicht direkte Handlungsempfehlungen für alle Lebensbereiche sein? Und warum sollte mit solchen Empfehlungen nicht ein System verknüpft sein, das unsere Handlungsweisen bewertet und in einem nächsten Schritt honoriert oder sanktioniert? Die Menschen bekämen dabei vorgespielt, individuell zu handeln und zu entscheiden. Aber das vernetzte Individuum wäre - freilich ohne dies zu bemerken - Teil eines direkt und in allen Lebensbereichen beeinflussbaren Kollektivs. Wäre eine mit diesen Mitteln geformte Gesellschaft nicht die beste aller Welten?
Wahrscheinlich ist dies doch zu verneinen, denn die technischen Möglichkeiten derartiger Manipulation lägen in den Händen einiger weniger Instanzen: Regierungen und Wirtschaftsunternehmen, die in unheilvoller Allianz vor allem die eigenen Interessen bedienen würden und für die das Gemeinwohl keine Relevanz hat. Vollends zur Dystopie wird unsere Geschichte und das darin skizzierte Gesellschaftsmodell, wenn die Technik dann auch noch die Kontrolle über sich selbst erhält. Dieser wiederkehrende Topos der Science-Fiction-Literatur kommt auch in “ZERO” zum Tragen.
Der Film richtet den Blick in die Zukunft, erzählt aber vor allem etwas über die Gegenwart. Die geschilderte Entwicklung kann nur verhindert werden, wenn wir rechtzeitig erkennen, dass unsere Freiheit in Gefahr ist. Und dass wir selbst es sind, die sie aufs Spiel setzen.
Stand: 29.09.2021, 14.30 Uhr