Julia Metzner (SWR), Hörfunkreporterin, ist die erste Frau, die live von einem Fußball-EM-Finale berichtet:
„Ein Zeichen dafür, dass ich nicht so viel falsch gemacht habe“

Julia Metzner (SWR), Hörfunkreporterin, ist die erste Frau, die live von einem Fußball-EM-Finale berichtet:
„Ein Zeichen dafür, dass ich nicht so viel falsch gemacht habe“

Julia Metzner
© WDR/Annika Fußwinkel

Premiere bei der Fußballeuropameisterschaft: Wenn am 11. Juli 2021 in London das mittlerweile 16. Finale angepfiffen wird, werden die Hörer*innen nicht – wie in all den Jahren zuvor – die Stimme eines Mannes vernehmen, sondern erstmals die einer Frau, genauer gesagt: die von Julia Metzner.

Als die Sportfunkleiter*innen der ARD die Entscheidung trafen, eine Sportjournalistin das alles entscheidende Spiel der EURO reportieren zu lassen, nahmen sie einen Steilpass von Sabine Töpperwien auf – der ersten Frau also, die in der Geschichte des deutschen Rundfunks live über ein Fußballspiel berichtet hat. Im vergangenen Januar hatte sie verkündet, ihre Karriere nach weit über 700 Stadion-Einsätzen zu beenden, und in einem Interview prophezeit, es wohl nicht mehr erleben zu dürfen, „dass eine Frau das Finale einer Fußball-EM oder -WM für Radio oder Fernsehen übertragen wird“. Mit diesem Zitat habe Sabine Töpperwien den Ball ins Rollen gebracht, erklärte Valerie Weber, WDR-Programmdirektorin und Vorsitzende der Audioprogrammkonferenz. Der Beschluss der Sportfunkleiter*innen sei eine Verbeugung vor der langjährigen Leiterin der WDR 2-Sportredaktion und Stimme von „WDR 2 Liga Live“.

Vor allem ist er aber auch eine Anerkennung der journalistischen Arbeit von Julia Metzner. Das erste Fußballspiel, das die gebürtige Offenbacherin live am Mikrofon kommentierte, war Deutschland gegen die Niederlande, 15. Juli 2004, Europameisterschaft in Portugal. Sie lebte und arbeitete damals in Melbourne, die Partie reportierte sie beim australischen öffentlich-rechtlichen Sender SBS für die deutschsprachige Gemeinde in Down Under. 2007 wechselte sie zur ARD, blieb zehn Jahre lang in der Sportredaktion des NDR, ging dann zur Hauptabteilung Sport des SWR. Das bislang wichtigste Spiel, von dem sie live berichtete? „Das olympische Finale im Frauenfußball in Rio 2016, als die deutschen Frauen olympisches Gold gewonnen haben. Das war außergewöhnlich, weil historisch.“ Tatsächlich war es der erste Olympiasieg der deutschen Frauenfußballerinnen.

In der Fußballbundesliga-Konferenz der ARD-Hörfunkwellen geht Julia Metzner regelmäßig vor acht Millionen Zuhörer*innen ihrem Job nach. Das Finale der EURO 2020 in 2021 habe sie sich verdient, sagt Steffen Simon, EM-Teamchef der ARD. Dass die Entscheidung für eine Frau einige Aufmerksamkeit generiert hat, steht außer Frage. Julia Metzner selbst betrachtet die ganze Angelegenheit eher nüchtern. Für sie gehöre es einfach zum Berufsbild der Sportjournalistin, von einem Finale zu berichten. „Es ist der nächste Schritt in meiner Karriere, eine Auszeichnung für meine Leistung und ein Zeichen dafür, dass ich nicht so viel falsch gemacht habe.“

Fragt man sie, was sie seit dem Tag der Bekanntgabe an Reaktionen erlebt habe, erzählt sie, wie ehrlich sich ihre Kolleg*innen für sie gefreut hätten und wie stolz ihre Freund*innen und ihre Familien seien. „Meine Eltern sind, glaube ich, jetzt schon nervöser vorm Finale als ich.“ Schön sei es auch gewesen, positive Reaktionen von Hörer*innen zu bekommen. „Männlich wie weiblich. Schade, dass ich das hervorheben muss …“

So schlimme Erfahrungen wie ZDF-Kollegin Claudia Neumann hat Julia Metzner zum Glück noch nicht machen müssen. „Wir Radioleute stehen deutlich weniger in der Öffentlichkeit“, gibt sie zu bedenken. Mails von Hörern, die es nach eigenem Bekunden „nicht ertragen können, wenn diese Frau über Fußball redet“, oder der Meinung sind, „Frauen sollten einfach aufhören, über Fußball zu reden“, hat sie jedoch auch schon erhalten. „Aber das ist ja noch harmlos. Allerdings halte ich mich generell von den sozialen Medien fern. Da wird es möglicherweise anders aussehen. Wichtig sind mir Meinungen von Menschen, die konstruktiv Kritik üben. Nicht an mir als Frau, sondern als Journalistin. Damit kann ich sehr gut leben.“

Am 11. Juli 2021 jedenfalls wird Julia Metzner so sehr wie nie zuvor in ihrer Karriere im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen. Am Radio sitzt dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Sabine Töpperwien. Was denkt die Finalreporterin 2021 über die Frau, die einst in die reine Männerphalanx einbrach? „Sie war die Erste“, antwortet Julia Metzner. „Das Wort Pionierin fällt oft in diesem Zusammenhang, zu Recht. Sie hatte sich den Beruf wie wir alle nicht als Frauenrechtlerin ausgesucht, sondern aus Leidenschaft. Aber eben auch als Frau. Ihr Kampf war ein ganz anderer, weil sie alleine war. Sie hat für uns alle, die danach gekommen sind und noch kommen werden, die Tür geöffnet. Einen ordentlichen Spalt breit.“ Eine Sache sei allerdings schade: „Dass man nach mehr als 30 Jahren nicht sagen kann, dass die Tür komplett offen ist.“

Stand: 29.04.2021, 12.00 Uhr