Gesundheitsämter bekommen bei positiven Corona-Tests keine Laborwerte mitgeteilt
Recherche von WDR, NDR, SZ zeigt
Gesundheitsämter bekommen bei positiven Corona-Tests keine Laborwerte mitgeteilt
Doch diese Werte sind ein wichtiger Hinweis, wie ansteckend jemand ist. Der Vizepräsident der Virologen fordert daher Labore auf, die Details mitzuteilen.
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Den meisten Gesundheitsämtern in Deutschland liegen keine Informationen vor, wie ansteckend positiv Getestete tatsächlich sind. Das ergibt eine Umfrage unter allen Gesundheitsämtern in Deutschland durch WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“. Demnach bekommen mehr als 70 Prozent der Ämter von den medizinischen Laboren nicht den Ct-Wert der Corona-Infizierten mitgeteilt. Die Werte könnten aber bei der Entscheidung helfen, ob und wie lange jemand in Isolation muss.
Der Ct-Wert zeigt an, wie viele Zyklen ein PCR-Test durchlaufen muss, um ein positives Ergebnis zu entdecken. Je mehr Zyklen nötig sind, desto geringer ist die Virusmenge in der Probe. Das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass ab einem Ct-Wert von 30 das Virus im Labor nicht mehr vermehrungsfähig ist. Das heißt, dass ein Betroffener mit einem so hohen Ct-Wert vermutlich auch niemand mehr anstecken kann. Der Ct-Wert sei deshalb ein Laborwert, der „für die Verkürzung der Isolierungsdauer“ herangezogen werden könne, schreibt das Robert-Koch-Institut auf seiner Webseite.
137 Gesundheitsämter hatten gegenüber WDR, NDR und SZ Fragen zum Ct-Wert bei Corona-Infizierten beantwortet. Dabei gaben 73 Prozent an, den Ct-Wert „selten“ oder „nie“ mitgeteilt zu bekommen. Auffällig sind dabei auch regionale Unterschiede: Während in Baden-Württemberg nur 44 Prozent der Gesundheitsämter den Ct-Wert selten oder nie erfahren, ist das in Rheinland-Pfalz bei 86 Prozent der Ämter der Fall und in Thüringen gar bei 92 Prozent.
Der Vizepräsident der Gesellschaft für Virologie, Uwe Dittmer, fordert die medizinischen Labore in Deutschland auf, bei positiven Corona-Tests die Laborwerte den Gesundheitsämtern zur Verfügung zu stellen. „Wir werden das künftig machen und es wäre gut, wenn alle Labore in Deutschland das auch machen“, sagt Dittmer, der an der Uniklinik in Essen das Institut für Virologie leitet und auch zuständig ist für die Auswertung der Corona-Tests.
Dittmer betont allerdings auch, dass man nicht allein auf den Ct-Wert vertrauen könne, wenn man beurteilen will, wie ansteckend ein Infizierter ist. Denn der Ct-Wert könne auch deshalb hoch sein, weil jemand erst am Beginn einer Infektion stehe oder weil der Abstrich ungenau entnommen wurde. Auch unterscheiden sich die PCR-Tests von Hersteller zu Hersteller, wodurch die Ct-Werte um zwei bis drei Werte voneinander abweichen können, sagt Dittmer.
Der Vorsitzende des Berufsverbands „Akkreditierte Labore in der Medizin“ (ALM), der Labormediziner Michael Müller, reagierte ablehnend auf die Forderung, die Laborwerte regelmäßig mitzuteilen. Der PCR-Test sei eben ein Test, der nur feststellen könne, ob jemand positiv sei, aber nicht, wie stark positiv jemand sei. Alle Versuche, „daraus einen quantitativen Test zu machen, sind mit Vorsicht zu genießen“, sagte Müller auf Anfrage. Wenn man den Gesundheitsämtern generell die Ct-Werte mitteile, „gibt's auch das Risiko, dass die missverstanden werden können“.
Doch auch bei Patient*innen, die am Anfang einer Infektion stehen oder bei unsachgemäßen Abstrichen könne ein zweiter Test mit hohem Ct-Wert Klarheit bringen, sagt der Vizepräsident der Virologen-Gesellschaft Dittmer. Billiger als jemanden zehn Tage in Isolation zu schicken, sei so ein zweiter Test auf jeden Fall.
Die Gesellschaft für Virologie ist nach eigenen Angaben mit rund 1100 Mitgliedern die größte virologische Fachgesellschaft in Europa.
Stand: 07.10.2020, 18.00 Uhr