Interview mit Martin Brambach
Verunsichert – Alles Gute für die Zukunft
Interview mit Martin Brambach
„Ich halte Lobbyismus in der Politik für ein großes Problem“
Herr Lühdorff erzählte, wie dankbar er Ihnen dafür sei, dass Sie bei diesem Film mitgemacht haben, obwohl Sie zu diesem Zeitpunkt schon so viele andere Projekte hatten. Was hat Sie dazu bewogen, zuzusagen?
Ich finde gebrochene Figuren interessant, und dieser Anwalt ist eine gebrochene Figur. Er hat ein Alkoholproblem, und am Ende ist er trotzdem derjenige, der seiner Kollegin entscheidend dabei hilft, in dem Prozess gegen die Versicherung zu bestehen. Mir gefällt es, wenn man nicht sagen kann: Das ist eindeutig ein Guter, das ist eindeutig eine heldische Figur. Es geht darum, Menschen zu spielen. Menschen mit einer Biografie.
Und das Thema des Films?
Ist gesellschaftlich sehr relevant und betrifft uns alle. Dass Versicherungen ab einer gewissen Schadenshöhe grundsätzlich erst einmal den Klageweg beschreiten, ging ja vor ein paar Jahren durch die Presse ...
Martin Brambach in der Rolle des alkoholkranken Anwalts Franz Sachtler.
© WDR/Zeitsprung Pictures/Guido Engel
Passiert ist aber nichts.
Weil es einen so starken Lobbyismus gibt. Ich halte Lobbyismus in der Politik für ein großes Problem. Zum einen, weil Lobbyisten Gesetze verhindern können. Zum anderen, weil extremistische Parteien daraus Profit schlagen können. Für die ist das ja Futter, um mal wieder behaupten zu können, dass in Berlin alle unter einer Decke stecken.
Man hört und liest immer wieder, dass Sie am Set sehr viele Ideen einbringen und mehr anbieten als andere Schauspieler.
Ich weiß gar nicht, ob ich da mehr mache als andere. Ich habe einfach Spaß am Spielen. Ursprünglich komme ich ja vom Theater, da hat man acht Wochen Zeit, sich Vorgänge zu überlegen, also darüber nachzudenken, was man mit Texten macht, mit Situationen, mit einzelnen Szenen. Am Drehort hat man nur einen Tag. Manchmal sitze ich nach einem Drehtag im Hotelzimmer und bin unglücklich darüber, nicht alles angeboten zu haben. Selbst, wenn man es sich vornimmt, man kann es natürlich nicht, dafür fehlt einfach die Zeit. Also versuche ich, zumindest so viel wie möglich von dem auszuprobieren, was ich an Ideen im Kopf habe. Jörg Lühdorff war zum Glück sehr offen und hatte große Lust darauf, verschiedene Nuancen auszuprobieren. Es geht da ja um Kleinigkeiten…Sitzt man? Steht man? Geht man? Ist man nebenbei noch mit etwas anderem beschäftigt? Im Leben gibt es Milliarden Möglichkeiten, einen Satz zu sprechen. Und ein bisschen davon möchte ich trotz des Zeitdrucks gerne ausprobiert haben. Bei „Verunsichert – Alles Gute für die Zukunft“ ging das. Es war eine sehr schöne, sehr produktive Arbeit.
Es gibt eine Szene, in der Ihre Figur beim Sprechen auf einem Brillenbügel herumkaut. Das macht eine Figur menschlich. Passiert so etwas spontan oder ist es von langer Hand geplant?
Vieles nimmt man sich schon beim Textlernen, bei der Vorbereitung vor. Viele Sachen entstehen aber auch spielerisch mit den Kolleginnen und Kollegen, in diesem Fall mit der tollen Kollegin Henny Reents. Manchmal sind es gar nicht die großen Ideen, die eine Szene besonders machen, sondern einfach nur Impulse, aus dem Moment heraus. Das macht ja den Beruf auch schön.
Um auf die tolle Kollegin Henny Reents zu sprechen zu kommen ...
So ein Drehtag ist ja schnell wieder vorbei, die Kamera hat auch ein Mitsprecherecht, da ist der Druck schon ziemlich groß, wenn man gemeinsam Dinge ausprobieren möchte und sich dabei ja auch näher kommt. Henny war nicht nur glänzend vorbereitet, zwischen uns stimmt auch die Chemie, und das ist extrem wichtig: dass die Chemie stimmt, dass man sich vertraut, dass man sich frei genug fühlt, um sich in eine Figur, in eine Biografie hineinbewegen und schauen zu können, wie sich dieser Mensch im wirklichen Leben wohl jetzt verhalten würde. Wenn alles so passt wie bei diesem Dreh, ist das sehr beglückend. Und wenn nicht, wird es manchmal sehr anstrengend.
Inwieweit?
Eine Szene spielt man ja nicht alleine. Ich kann mir noch so eisern vornehmen, ich spreche den Satz so und so – er wird nur dann funktionieren, wenn der oder die andere mitspielt, mir die entsprechende Vorlage gibt und so reagiert, wie ich mir das wünsche oder mir das vorgestellt habe. Henny ist einfach eine tolle Schauspielerin. Ich habe ihr gerne zugeguckt und gerne mit ihr gespielt.
Was war die größte Herausforderung bei der Rolle des Franz Sachtler?
Das Maß zu finden. Das ist es immer ein bisschen. Ich fand ja das Interessante, dass man erst möglichst spät merkt, dass der auf der guten Seite ist. Also die ersten Szenen lang zu riskieren, auch mal seine unsympathische Seite zu zeigen oder das Publikum im Unklaren darüber zu lassen, was eigentlich mit ihm los ist. Generell gilt aber: Wenn ein Buch gut geschrieben ist, dann sind die Situationen gar nicht so schwer zu spielen, weil man sie intuitiv versteht, weil einfach klar ist: Ja, Menschen reagieren in so einer Situation so. Wenn Szenen allerdings konstruiert, also allzu sehr ausgedacht sind, dann wird es kompliziert. Weil man sie als Schauspieler ja irgendwie glaubhaft machen muss.
Ist es von Vorteil, wenn der Regisseur auch das Buch geschrieben hat?
Das kann sehr von Vorteil sein, weil er dann natürlich besonders genau weiß, was er erzählen möchte, und er sich in seinem eigenen Buch natürlich sehr gut auskennt. Ich habe aber auch schon erlebt, dass das ein Nachteil sein kann.
Warum ein Nachteil?
Wenn ein Regisseur zu festgelegt ist, wie etwas zu klingen hat, wie etwas zu spielen ist, dann ist er nicht mehr so offen für die Fantasien der Schauspieler und eine auch mal kritische Herangehensweise an das Buch. Bei diesem Projekt war das aber überhaupt nicht der Fall. Allerdings war es aber auch nicht so, dass mich Jörg Lühdorff einfach mal hat machen lassen. Er hatte schon klare Vorstellungen. Aber er hat mir immer das Gefühl gegeben, dass meine Fantasien gefragt sind. Er ist darauf eingegangen und konnte das Bild, das er gemalt hatte, immer noch ein bisschen variieren. Ich fand seine Art ganz toll. Es ist ja wichtig, ob ein Regisseur einen animiert oder unter Druck setzt.
Sie wirken richtig zufrieden mit „Verunsichert - Alles Gute für die Zukunft“.
Wir behandeln da ein sehr wichtiges, gesellschaftlich sehr relevantes Thema, und ich bin sehr glücklich, dass es ein guter Film geworden ist. Es nützt ja nichts, wenn man ein gutes Thema hat, es aber nicht transportieren kann. Man muss die Leute emotional packen und mitnehmen. Ich finde, das ist geglückt, und freue mich ganz ehrlich sehr, bei diesem Projekt dabei gewesen zu sein. Das kann man nicht von jedem Film sagen.
Gerade Themenfilme können in der Tat recht anstrengend sein.
Ja, mit erhobenem Zeigefinger erzählt und auf die Tränendrüse gedrückt. Das Unterhaltsame kommt manchmal ein wenig zu kurz bei solchen Filmen, und dabei ist es so wichtig. Gleichzeitig gibt es natürlich auch sehr viele von dieser Versicherungspraxis Betroffene, entsprechend ernsthaft mussten wir mit diesem Thema umgehen. Ich finde, die Mischung ist uns gut geglückt.
Stand: 17.08.2020, 12.00 Uhr