Dr. Eckart von Hirschhausen
Statements zum Thema „Zukunft Bildung“
Dr. Eckart von Hirschhausen
„Frag doch mal die Maus“ | „Hirschhausen macht Schule – warum Bildung gesund macht“
Eckart von Hirschhausen
© WDR/Ben Knabe
Zukunft Bildung: Was verbinden Sie damit?
Wenn man fürs Leben und nicht für die Schule lernt, frage ich mich, wann Gesundheit, Glück und konstruktiv Streiten ein Schulfach werden. Was mich für die Reportage als ehemaliger Arzt in der Kinderheilkunde angetrieben hat: Warum leben Menschen mit viel Bildungschancen bis zu 10 Jahren länger als die einkommensschwachen und bildungsfernen? An welchen Momenten im Lebenslauf entscheidet sich das, und wo gibt es positive Beispiele, wie es besser laufen könnte?
Für mich beginnt Bildung nicht mit der Einschulung, sondern im Mutterleib. Kaum jemand in Deutschland weiß, dass hier jedes Jahr über 10.000 Kinder mit Hirnschäden durch Alkohol geboren werden. Keine Pille, kein Therapeut, keine Inklusionsschule kann vollständig wieder wettmachen, was da in den ersten Schwangerschaftsmonaten kaputt ging. Das ist eine Frage von Aufklärung, gesellschaftlichen Spielregeln und Hilfsangeboten. Wir denken bei Bildung viel zu sehr an die Schule und zu wenig an die prägenden Jahre davor, wo der Unterschied zwischen den geförderten und vernachlässigten Kindern noch aufholbar ist.
Wer hat Sie auf ihrem persönlichen Bildungs- und Lebensweg einen entscheidenden Schritt vorangebracht: Wem möchten Sie dafür "Dank Dir" sagen?
Herr Rieks unterrichtete Mathe in der ersten Klasse. Er hatte viel Humor und zeichnete gerne zu Beginn der Stunde einen Cartoon an die Innenseite der Tafel. Wenn die Stunde gut lief, durften wir ihn am Ende sehen, sonst wischte er die „Belohnung“ ungesehen weg. Vielleicht habe ich ihm die Überzeugung zu verdanken, die mich bis heute prägt: dass Humor hilft, etwas zu Vermitteln. Und in meine erste Klassenlehrerin habe ich mich sowas von verliebt! Ich habe ihr Briefe geschrieben und Loriot-Zeichnungen abgepaust. Ich war noch sehr jung. Ich danke ihr für einen super motivierten Start in die Schulzeit – auch wenn sie mich nicht erhört hat – oder gerade deshalb.
Was sind die wichtigsten "Aha!"-Erlebnisse in ihrem Leben?
Wer Aha sagt, muss auch B sagen. Es gibt Erkenntnisse, hinter die man schwer zurück kann. So einen Aha-Moment hatte ich vor zwei Jahren, als ich die Umweltaktivistin und Schimpansenforscherin Jane Goodall interviewen durfte. Sie fragte mich direkt: „Wenn der Mensch die intelligenteste Art auf dem Planeten ist – warum zerstört er dann sein eigenes Zuhause?“ Seitdem engagiere ich mich dafür, die Klimakrise als Gesundheitskrise zu begreifen. Es ist die wichtigste Bedrohung, der wir uns radikal stellen müssen. Wir Menschen sind die einzigen Lebewesen, die in die Zukunft schauen. Wir können in den nächsten 10 Jahren mit darüber entscheiden, ob die nächsten 10.000 Jahre erträglich bleiben oder die Erde für Menschen unbewohnbar wird, unwiderruflich. Deshalb habe ich „Scientists for Future“ unterstützt, weil die Wissenschaft schon seit 40 Jahren warnt. Und gemessen daran kann ich Schüler verstehen, die mit Schildern streiken: „Was nutzt uns Bildung, wenn keiner auf die Gebildeten hört?“
Was fällt ihnen beim Lernen leicht und wo tun Sie sich eher schwer?
Um ehrlich zu sein, fiel mir die Schule leicht. Mich interessierten schon damals der Umgang mit Sprache und die Medizin. Und weil es das nicht als Fach gab, nahm ich Bio und Deutsch, als ich wählen konnte. Aber ich gestehe: Ich kann nicht kochen, ich kann nicht gut meine Zeit einteilen, weil ich mich immer für zu viele Dinge gleichzeitig interessiere, und ich kann nicht mehr umsonst Bahn fahren, obwohl ich das als Kind schon mal gekonnt habe.
An was denken Sie bezogen auf ihre Schul- und Ausbildungszeit besonders gerne zurück und was würden Sie lieber vergessen?
Ich habe ja nach meinem Medizinstudium zunächst im Krankenhaus gearbeitet. Damals merkte ich, dass man viele Krankheiten, mit denen ich dort konfrontiert wurde, leicht im Vorfeld hätte verhindern können. Und hab es mir zur Aufgabe gemacht, das Wissen nicht für mich zu behalten, sondern möglichst viele Menschen für ein gesundes Leben zu begeistern, bevor sie krank werden. Wenn ich heute mit meinem aktuellen Programm „Endlich!“ auf der Bühne stehe und an einem Abend 2.000 Menschen erreiche, dann ist das inhaltlich gar nicht so viel anderes, als was ich etwa Patienten in einer Klinik für Psychosomatik erzählen würde. Doch dort müsste ich mit jedem einzeln reden, wofür ich einfach viel zu ungeduldig bin. Und wenn mir heute in der ARD Millionen Menschen zuhören, dann hätte ich für den gleichen Effekt in der Klinik sehr viele Jahre gebraucht. Ich habe also neue Verbreitungswege entwickelt, um Menschen klar zu machen: Viele unsere körperlichen und seelischen Probleme haben mit fünf einfachen Dingen zu tun: nicht rauchen, bewegen, Gemüse, Erwachsen werden und Kind bleiben!
Stand: 25.09.2019, 10.00 Uhr