IAAF-Daten belegen mehrere ähnliche Fälle und Datenschutzverfehlungen

ARD-Dopingredaktion zum Fall Semenya

IAAF-Daten belegen mehrere ähnliche Fälle und Datenschutzverfehlungen

Sportschau, 24.02.2019, 18.00 Uhr, Das Erste

Caster Semenya

Caster Semenya
© Fabrice Coffrini

Nach Recherchen der ARD-Dopingredaktion hat der Leichtathletik-Weltverband IAAF ermöglicht, die Rechte der südafrikanischen Mittelstreckenläuferin Caster Semenya und zahlreicher weiterer Athletinnen, darunter eine Deutsche, zu verletzen: Auch zur wissenschaftlichen Absicherung einer neuen Regel zum Startrecht hyperandrogener Athletinnen von der IAAF erhobene medizinische Daten wurden öffentlich zugänglich gemacht. Sportlerinnen mit abweichender Geschlechtsentwicklung droht damit, dass intime Details von ihnen, die sich in Studien und Gutachten befinden, publik werden.

Stefan Brink, einer der führenden deutschen Datenschutzexperten, sieht darin einen schwerwiegenden Bruch der Datenschutzregeln. „Da ist ganz offensichtlich unvorsichtig, nachlässig, in empörender Weise gleichgültig mit den Daten von Sportlern umgegangen worden“, sagt der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg gegenüber der ARD-Dopingredaktion. Brink warnt vor den Folgen. „In bestimmten Ländern dieser Welt ist es so, dass bestimmte Krankheiten oder bestimmte Verhaltensweisen, sexuelle Orientierung oder Unklarheiten bei der Zuordnung zu einem Geschlecht, ein echtes Problem darstellen, dass dort Verfolgungen stattfinden können auf der Basis, sei es von privaten Vereinigungen, sei es auch von staatlichen Stellen und damit sind solche Veröffentlichungen, die gemacht werden, natürlich umso gravierender“, erklärt der Datenschützer.

Die Vorgänge wirken besonders skandalös, da der Weltverband gelobt hatte, aus seinen Fehlern im Umgang mit Semenya gelernt und die nötigen Vorkehrungen getroffen zu haben. 2009, als Semenya als 18-Jährige in Berlin erstmals bei einer Weltmeisterschaft startete, hatten Leichtathletik-Funktionäre dafür gesorgt, dass durch Indiskretionen ein Geschlechtstest der Südafrikanerin öffentlich wurde. „Wir haben völlig andere Durchführungsbestimmungen, als es 2009 gab, und zwar genau so, wie es sein sollte“, hatte der Präsident der IAAF, Sebastian Coe, noch kürzlich gegenüber der ARD-Dopingredaktion gesagt, „die medizinische Vertraulichkeit muss geschützt werden. Es ist ein absolutes Muss in allem, was wir tun.“

Demgegenüber erklärt der Weltverband IAAF, die veröffentlichten Daten seien so anonymisiert worden, dass keine individuellen Athletendaten identifiziert werden könnten. Dass bei der allgemeinen Suche nach einer abweichenden Geschlechtsentwicklung auf der IAAF-Website auch ein Athletenprofil angezeigt werde, liege an der Generierung der Ergebnisse durch die Suchmaschine bing. Insofern Daten in Dokumenten aus Disziplinarverfahren enthalten seien, erklärt die Athletics Integrity Unit (AIU), die Betroffenen hätten keine Einwände gegen die Publikation in dieser Form gehabt.

Recherchen der ARD-Dopingredaktion haben zudem ergeben, dass von neun Athletinnen mit abweichender Geschlechtsentwicklung, deren Dokumentation die ARD-Dopingredaktion kennt, fünf nahezu identische hyperandrogene Faktoren aufweisen wie Semenya. Bisher sind die weiteren Fälle allerdings öffentlich noch kein Thema gewesen.

Die südafrikanische Mittelstreckenläuferin Caster Semenya hatte vergangene Woche vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) um die Fortsetzung ihrer Karriere gekämpft. Der Internationale Leichtathletikverband IAAF will sie als hyperandrogene Athletin mit XY-Geschlechtschromosomen, innenliegenden Hoden und erhöhten Testosteronwerten zu medizinischen Behandlungen zwingen oder sie künftig nur noch bei den Männern starten lassen. Binnen eines Monats will der CAS über Semenyas Klage gegen diese neue Regel entscheiden.

Die Sportschau berichtet am 24.02.2019 ab 18.00 Uhr (Das Erste) über die Recherchen der ARD-Dopingredaktion.

Stand: 24.02.2019, 12.00 Uhr