WDR: „Renegade“-Luftterror-Alarm - Mehr Atomkraftwerke betroffen als bislang bekannt

WDR: „Renegade“-Luftterror-Alarm - Mehr Atomkraftwerke betroffen als bislang bekannt

Luftbild des KKW Emsland

Luftbild des KKW Emsland
© dpa/ Friso Gentsch

Der vorsorgliche Terror-Alarm in deutschen Atomkraftwerken vom vergangenen Freitag (10. März) hatte offenbar weitaus größere Dimensionen als bislang angenommen. Die AKW-Betreiber RWE, PreussenElektra (früher E.ON) und EnBW bestätigten gegenüber dem WDR, dass der Alarm in sieben der acht noch in Betrieb befindlichen und in mehreren stillgelegten Kernkraftwerken im gesamten Bundesgebiet ausgelöst wurde. Insgesamt waren nach Recherchen des WDR mindestens 17 Atomreaktoren an zwölf Standorten in ganz Deutschland betroffen*. Bislang war lediglich von fünf AKW in Norddeutschland die Rede. Die meisten Anlagen waren für etwa eine Stunde evakuiert worden. Anlass war ein bundesweiter sogenannter „Renegade“-Voralarm, bei dem ein terroristischer Angriff mit einem Verkehrsflugzeug unterstellt wird. Ausgelöst hatte diesen Alarm eine Boeing 787 der indischen Fluggesellschaft „Air India“, zu der am Freitagmorgen vorübergehend der Funkkontakt abgebrochen war.

Die Evakuierungen waren nur zufällig öffentlich geworden, weil Demonstranten während einer Mahnwache vor dem AKW Brokdorf den Alam auf dem Kraftwerksgelände und entsprechende Gespräche der Polizei mitbekommen haben.

Nach Recherchen des WDR hatte Flug Nummer AI 171 der indischen Fluggesellschaft „Air India“ auf dem Weg vom indischen Ahmedabad nach London am Freitag gegen 9 Uhr deutscher Zeit auf Funksprüche der Luftüberwachung nicht mehr geantwortet. Daraufhin haben zuerst tschechische und anschließend deutsche Kampfflugzeuge Sichtkontakt zu der Boeing 787 aufgenommen. Warum der Funkkontakt unterbrochen war, ist unklar.

Nach Einschätzung vieler Fachleute ist keines der deutschen Atomkraftwerke gegen eine gezielte Attacke mit einem großen Passagierflugzeug gesichert. Allein die kinetische Energie könne bei einem Aufprall zu erheblichen Schäden an der Reaktorhülle und anderen sicherheitstechnischen Einrichtungen führen, erklärt der frühere Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium, Dieter Majer, gegenüber dem WDR. Hinzu käme die Feuergefahr durch die großen Mengen an Treibstoff.

Der niedersächsische Umweltminister, Stefan Wenzel, fordert im WDR als Konsequenz aus diesem Vorfall eine Änderung beim Umgang mit der Öffentlichkeit in solchen Fällen. Der Bund müsse „jederzeit sicherstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger rechtzeitig über Maßnahmen informiert werden“, so Wenzel wörtlich.

*) Liste der evakuierten Kernkraftwerke:

- Biblis

- Emsland

- Gundremmingen

- Brokdorf

- Grohnde

- Unterweser

- Lingen

- Brunsbüttel

- Grafenrheinfeld

- Philippsburg (laut Betreiber wurden „die dafür vorgesehenen Maßnahmen eingeleitet…“)

- Neckarwestheim (wie Philippsburg)

- Krümmel (Personal in Bunker am Kraftwerk untergebracht)

Stand: 16.03.2017, 06.00 Uhr