Brutale Banden aus dem Ausland zwingen Jugendliche zu Diebestouren in Deutschland / Caritas warnt: "Rasanter Anstieg" solcher Fälle

WDR und Süddeutsche Zeitung

Brutale Banden aus dem Ausland zwingen Jugendliche zu Diebestouren in Deutschland / Caritas warnt: "Rasanter Anstieg" solcher Fälle

Ausländische Banden locken systematisch arbeitslose Jugendliche mit falschen Versprechungen nach Deutschland, damit sie hier Diebstähle begehen. Das zeigen Recherchen von WDR und Süddeutscher Zeitung. Wenn die Jugendlichen aussteigen wollen, werden sie bedroht, geschlagen und erpresst. Ermittler sprechen von einem System von Gewalt, das sie so bislang nicht kannten. Das Bundeskriminalamt geht von einem "großen Dunkelfeld" aus.

© WDR/bonn-sequenz

Untersuchungsakten einer Sonderkommission der Essener Polizei dokumentieren einen besonders drastischen Fall. Demnach werden Jugendliche aus armen Familien in Litauen von organisierten Diebesbanden mit Schlägen und psychischem Druck zu Straftaten gezwungen. Fotos, die den Ermittlern vorliegen, zeigen nach Angaben von WDR und SZ gefesselte und geschlagene Jugendliche. Einer von ihnen liegt in einer Blutlache. In abgehörten Telefongesprächen zwischen den Bandenchefs heißt es: Man müsse einem Jungen mal wieder einen Kopfschlag verpassen, wenn er nicht klauen gehen wolle. Fast immer werden den Jugendlichen die Pässe abgenommen. Wenn sie aussteigen wollen, müssen sie sich freikaufen und häufig auch noch einen Nachfolger besorgen.

Der katholische Sozialverband Caritas in Litauen kümmert sich inzwischen vermehrt um Jugendliche, die zu Straftaten im Ausland gezwungen wurden. Die Organisation betreut nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 30 derartige Fälle im Jahr und spricht von einem „rasanten Anstieg“. Die Europäische Kommission berichtet in ihrem aktuellen Menschenhandelsreport, dass die Zahlen betroffener Jugendlicher in Dänemark, Schweden, Litauen und der Slowakischen Republik steigen. Die Banden werben Jugendliche in Wohngegenden an, in denen die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist.

Die Polizei in Litauen hat in den vergangenen Jahren allein in Kaunas, der zweitgrößten Stadt des Landes, 20 derartige Fälle ermittelt. In Deutschland tritt in diesem Sommer ein neues Gesetz in Kraft, das diese Form von Menschenhandel unter Strafe stellt.

Stand: 14.07.2016, 18.00 Uhr