WDR/NDR/SZ-Recherche: Stiftung finanzierte Studien und prämierte „verdiente Mitarbeiter“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

WDR/NDR/SZ-Recherche: Stiftung finanzierte Studien und prämierte „verdiente Mitarbeiter“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)“ in Hannover ist laut eigenem Internet-Auftritt „die zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung“. Die Expertisen und Stellungnahmen der BGR haben bei so bedeutenden Themen wie Endlagerung radioaktiver Abfälle, Öl- und Gasförderung, Fracking, unterirdischer Kohlendioxid-Speicherung und Klimawandel großes Gewicht.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover
© WDR/DPA

Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung haben nun ergeben, dass auf Initiative von Unternehmen der Rohstoff-, Energie- und Chemie-Industrie Anfang der achtziger Jahre ein Fonds gegründet wurde, um die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellte BGR finanziell zu unterstützen. Gezielt wurden „verdiente Mitarbeiter“, wie es in internen Dokumenten wörtlich heißt, über Preisgelder für ihre Arbeit „belohnt“. Ausgewählte Studien wurden finanziert, Tagungen, Empfänge und größere Anschaffungen der Bundesanstalt – wie etwa Computer – gesponsert. Das Geld kam aus dem „Hans-Joachim-Martini-Fonds“, der 1982 gegründet, 1987 in eine Stiftung umgewandelt wurde und bis heute weitgehend im Verborgenen arbeitet.

Das geht aus umfangreichen internen Dokumenten der Stiftung hervor, die WDR, NDR und SZ vorliegen. Im Stiftungsrat sind zwar auch die BGR und das Bundeswirtschaftsministerium vertreten, aber finanziert wurde die Stiftung vor allem mit Spenden aus der Industrie. Zu den größten Geldgebern gehörten u.a. die „Bayer AG“, „Rheinbraun“ (heute RWE), „Wintershall“ und „Kali+Salz KS“. Welche Intention die Gründer möglicherweise verfolgten, macht eine interne Notiz aus einem der beteiligten Unternehmen von 1981 deutlich. Darin heißt es: „Die Stiftung soll dazu dienen, junge bzw. verdiente Mitarbeiter der BGR durch maßvolle finanzielle Anreize zu belohnen […].“ Die inhaltliche Ausrichtung einiger Forschungsarbeiten, die die Hans-Joachim-Martini-Stiftung finanziert bzw. mit Geldpreisen prämiert hat, deckte sich in einigen Fällen erkennbar mit den Interessen der Branchen, die die Stiftung finanziert haben.

So zahlte die Hans-Joachim-Martini-Stiftung 1995 insgesamt 50.000,- DM für eine umstrittene Studie, die zu dem Schluss kam, dass CO2 nicht die Hauptursache für den drohenden Klimawandel ist. Auf den einschlägigen Internet-Seiten der Klimaskeptiker werden die Autoren und die BGR bis heute als „Pioniere des Klimarealismus“ gefeiert. Ein anderer BGR-Wissenschaftler erhielt den Hans-Joachim-Martini-Preis für eine Untersuchung, die dem Salzstock Gorleben die Eignung als Atommüll-Endlager bescheinigte.

Bei einer Prüfung des Verhältnisses zwischen BGR und Stiftung fand die Innenrevision des Bundeswirtschaftsministeriums 2012 zwar grundsätzlich „keine Beanstandungen“. Allerdings stufte sie die von der Stiftung vergebenen Preisgelder als „Geschenke“ ein und kritisierte, dass fast ausschließlich BGR-Angestellte zum Kreis der Begünstigten gehörten.

Die Stiftung und ihr finanzielles Engagement bei der BGR sind bis heute – außer in einigen parlamentarischen Anfragen – nicht öffentlich kommuniziert worden. Sie ist unter der Anschrift der BGR gemeldet, die Aufgabe des Geschäftsführers wurde in den vergangenen Jahrzehnten stets von Mitarbeitern der BGR übernommen. Vorsitzender ist laut Satzung der Vorsitzende des BGR-Kuratoriums – derzeit Martin Bachmann, Vorstandsmitglied der „Wintershall Holding“ und Vorsitzender des „Bundesverbandes Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG)“. Sein derzeitiger Stellvertreter ist nach Auskunft der Stiftung der Vorstandsvorsitzende der Ruhrkohle AG, Bernd Tönjes. Das Stiftungsvermögen beträgt derzeit rund 400.000,- Euro, neue Spenden sind laut Auskunft der Stiftung in den letzten zehn Jahren nicht mehr eingegangen.

Auf Anfrage von WDR, NDR und SZ waren weder Vertreter der Stiftung, noch die BGR zu einem Interview bereit. Schriftlich erklärte der Geschäftsführer der Stiftung, dass man „aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes“ weder Angaben zu einzelnen Spendern, noch zu einzelnen Preisträgern machen könne. Den Verdacht der inhaltlichen Einflussnahme der Industrie auf die BGR mittels der Hans-Joachim-Martini-Stiftung wiesen BGR und Stiftung zurück. Als Beleg führen beide Einrichtungen fast wortgleich an, dass „Förderer der Stiftung keinen Anspruch auf einen Sitz im Stiftungsrat haben – und somit auch nicht auf eine förmliche Beteiligung an der Entscheidungsfindung“.

Die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, sieht hingegen durch die Existenz und das jahrzehntelange Wirken der Hans-Joachim-Martini-Stiftung „die Unabhängigkeit und Seriosität der BGR kompromittiert und Regierungspolitik korrumpiert.“ Das Bundeswirtschaftsministerium weist diesen Verdacht zurück. Der niedersächsische Umweltminister Wenzel (B90/Die Grünen) forderte, die bisherigen Studien und Stellungnahmen der BGR im Lichte der jetzt vorliegenden Erkenntnisse noch einmal zu überprüfen.

Stand: 28.06.2016, 00.01 Uhr