Das WDR Sinfonieorchester Köln in der Spielzeit 2016/2017

Ein Fest für Bartók

Das WDR Sinfonieorchester Köln in der Spielzeit 2016/2017

Die Verbindung des WDR Sinfonieorchesters und seines finnischen Chefdirigenten Jukka-Pekka Saraste geht bereits in ihre siebte Spielzeit und wurde durch eine Vertragsverlängerung im vergangenen Jahr noch bis 2019 gesichert. Mit Werken von Béla Bartók und Anton Bruckner eröffnet Saraste die neue Saison am 9. September 2016 in der Kölner Philharmonie – hier stehen sich Zentrum und Peripherie, Blüte und Zerfall der alten Donaumonarchie gegenüber.

Jukka-Pekka Saraste

© WDR/Dirk Borm

Schwerpunkt Osteuropa

Die Musik Osteuropas, durch die „nationalen Schulen“ des 19. Jahrhunderts emanzipiert, fand im reichen und vielgestaltigen Werk Béla Bartóks den Weg in die Moderne. Jukka-Pekka Saraste und das WDR Sinfonieorchester widmen dem Komponisten einen Schwerpunkt, der zugleich wichtige Stationen von Werk und Vita beleuchtet. Das in drastischer Sinnlichkeit lodernde Ballett „Der wunderbare Mandarin“ (das 1926 in Köln einen handfesten Theaterskandal auslöste) ist hier ebenso vertreten wie das klassizistisch lichte Divertimento für Streicher und das bravouröse Konzert für Orchester aus der letzten Lebensphase des Komponisten. „Mir persönlich geht es dabei besonders um die Wurzeln in der ungarischen Volksmusik, die ich in den Konzerten hörbar machen möchte“, beschreibt Saraste seine Intention.

Die großen konzertanten Werke Béla Bartóks stehen in der kommenden Spielzeit vollständig auf der Agenda: Die beiden Violinkonzerte sind mit Christian Tetzlaff und dem ehemaligen WSO-Konzertmeister José Maria Blumenschein prominent besetzt. Für die drei Klavierkonzerte konnte mit der vielfach preisgekrönten Russin Anna Vinnitskaya eine exzellente Interpretin gewonnen werden, die zugleich als „Solistin der Saison“ besonders im Fokus steht. Die Hamburger Klavierprofessorin wird auch die beiden Klavierkonzerte von Dmitri Schostakowitsch spielen – im Vergleich zu Bartók fraglos Leichtgewichte, unter deren heiterem Maskenspiel sich indes doppelte Böden öffnen.

Mit Peter Tschaikowskys „Fünfter“ und Igor Strawinskijs Jahrmarktsburleske „Petruschka“ erarbeitet Jukka-Pekka Saraste mit seinem Orchester zwei weitere Schwergewichte der osteuropäischen Musik. Die Arbeit am klassisch-romantischen Kernrepertoire wird mit Anton Bruckners choralstrenger und glaubensfrommer Sinfonie Nr. 5 fortgesetzt. Aus dem Zyklus der Brahms-Sinfonien, der im Sendegebiet ebenso begeistert aufgenommen wurde wie bei auswärtigen Gastspielen, erklingen die Nummern zwei und vier. Gustav Mahlers neunte Sinfonie, ein auch auf CD veröffentlichter Markstein der gemeinsamen Arbeit, steht im Juni 2017 nach 2009 erstmals wieder auf dem Programm. Das monumentale Requiem von Hector Berlioz (mit dem WDR Rundfunkchor und dem Philharmonische Chor Brünn) wird unter dem gotischen Himmelsgewölbe des Kölner Doms zum Raum-Klang-Ereignis.

Internationale Gastdirigenten und -solisten

Der Osteuropa-Schwerpunkt der kommenden Spielzeit wird auch durch mehrere Gastdirigenten von internationalem Format betreut. So widmet sich Vasily Petrenko Rachmaninows glutvollen „Sinfonischen Tänzen“; Leonard Slatkin folgt russischen Komponisten auf ihren Fantasiereisen an die Gestade des Mittelmeeres. Jakub Hrůša, der neue Chefdirigent der Bamberger Symphoniker, ist ebenso in seiner tschechischen Heimat unterwegs wie in Ungarn und Russland.

Einen sinfonischen „Beethoven-Gipfel“ gestalten Marek Janowski (Nr. 3), Kent Nagano (Nr. 5) und der ehemalige WSO-Chefdirigent Christoph von Dóhnanyi (Nr. 7). Gustav Mahlers vierte Sinfonie mit ihren höchst irdischen Himmelsvisionen dirigiert Christoph Eschenbach, der regel­mäßig beim WDR Sinfonieorchester Köln gastiert. WDR Chorchef Stefan Parkman widmet sich den beiden Säulenheiligen des deutschen Barock in ungewöhnlicher Form: Aus Werken von Georg Friedrich Händel hat der Schwede ein spannendes Szenarium entwickelt; Bachs Matthäus-passion erklingt in der historisch aufschlussreichen Fassung von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Für internationalen Glanz sorgen auch die Solisten, die das WDR Sinfonieorchester nach Nord-rhein-Westfalen bringt. Mit der finnischen Sopranistin Karita Mattila und dem Bariton Christian Gerhaher sind zwei Stars der internationalen Lied- und Opernszene zu Gast. Der französische Meistercellist Gautier Capuçon spielt Antonín Dvořáks Cellokonzert; der gleichermaßen klassik-wie jazzaffine Russe Kirill Gerstein meldet sich mit Rachmaninows Paganini-Rhapsodie zurück. Die Geigerin Alina Pogostkina und der Pianist Ronald Brautigam bringen Beethoven so stilbe­wusst wie musikantisch auf den Punkt.

Uraufführungen und Einstrahlungen der Avantgarde

Mit seiner Reihe „Musik der Zeit“ bietet das WDR Sinfonieorchester seit über 60 Jahren der Avantgarde ein wichtiges Forum. Im Rahmen des Kölner Festivals „Acht Brücken“ bringt Peter Eötvös hier sein neues Oratorium „Hallelujah“ zur Aufführung – eine glanzvolle Novität, für sich gleich ein ganzes Consortium von Auftraggebern zusammengeschlossen hat. Zu den Komponisten, die ihre neuen Werke dem WDR Sinfonieorchester anvertrauen, zählen in der kommenden Saison auch Philippe Manoury, Enno Poppe, Nicolaus A. Huber, Marco Stroppa und Johannes Schöllhorn. Mit posthumen Ur- und Erstaufführungen stehen Jean Barraqué und Gerard Grisey auf der Agenda, zwei Heroen der französischen Avantgarde. Für alle diese Aufgaben wurden wieder führende Interpreten der Musica Nova verpflichtet – so etwa die Dirigenten Brad Lubman und Emilio Pomàrico, die Sopranistin Laura Aikin, der Bratscher Christophe Desjardins und der Pianist Florent Boffard.

Einstrahlungen der Avantgarde bietet auch die Funkhaus-Reihe „Klassik heute“ – hier schafft das WDR Sinfonieorchester mit führenden Spezialisten der historischen Aufführungspraxis spannende Querverbindungen zwischen den Epochen und Genres. So spürt Heinz Holliger seismischen Wellen nach, die von Mozarts „Prager“ Sinfonie zu Antonín Dvořák und Hans Werner Henze führen. Der Japaner Yutako Sado zeigt die Romantiker Peter Tschaikowsky und Ottorino Respighi vom Spaltpilz des Neoklassizismus befallen. Der streitbare Originalklang-Experte Reinhard Goebel bewegt sich diesmal auf Nebenschauplätzen der Aufklärungsepoche, während sein kanadischer Kollege Bernard Labadie mit Musik von Mozart und Haydn geradewegs in deren Epizentrum leuchtet.

Daheim in Nordrhein-Westfalen, gefeiert in der Welt

Das WDR Sinfonieorchester ist sich seiner regionalen Verantwortung ebenso bewusst wie seiner hohen internationalen Reputation. Neben den Konzertreihen in der Kölner Philharmonie und im Funkhaus Wallrafplatz gehören regelmäßige Gastspiele in den nordrhein-westfälischen Partnerstädten zu den wichtigsten Aufgaben des Orchesters. Ungewöhnliche Konzertformate wie die moderierten Kurzprogramme der „Happy Hour“ locken neue Publikumsgruppen in die Säle – neben Köln mittlerweile auch in Essen und Dortmund. Aber auch außerhalb des Sendegebiets ist das WDR Sinfonieorchester in der kommenden Spielzeit wieder mehrfach unterwegs. Eine Tournee führt die Musikerinnen und Musiker nach Polen und ins Baltikum; mit dem Rheingau Festival und dem Grafenegg Festival öffnen sich dem Orchester wichtige europäische Konzert- und Fest¬spielpodien.

Planm-Konzerte und CD-Produktionen

Wer ein junges Publikum für klassische Musik begeistern möchte, kann dafür keinen besseren Anwalt finden als den österreichischen Star-Perkussionisten Martin Grubinger, der im Rahmen der Reihe PlanM@Philharmonie wieder die Schlagstöcke wirbeln lässt. Für Feuer im Saal sorgen dazu noch mehrere Erfolgsstücke der klassischen Moderne: Igor Strawinskijs Ballette „Der Feuervogel“ und „Le Sacre du printemps“ oder Carl Orffs „Carmina Burana“, die ein lebenspralles Panorama des europäischen Mittelalters auf die Klangbühne zaubern.
Für junge und jüngste Musikfreunde hält PlanM, die Musikvermittlungsabteilung der WDR Klangkörper, wieder viele attraktive Projekte bereit. Aber auch erwachsene Hörerinnen und Hörer sind herzlich eingeladen, abseits der großen Konzertreihen auf Tuchfühlung mit dem Orchester zu gehen. So etwa bei den entdeckungsfreudigen Kammerkonzerten im Funkhaus oder den öffentlichen Orchesterproben in der Kölner Philharmonie.
Natürlich kann man die Musiker auch ganz bequem zu sich nach Hause einladen: CD-Produktionen mit dem WDR Sinfonieorchester erhalten in der Fachpresse regelmäßig höchste Bewertungen. Jüngst abgeschlossen wurden die markanten Gesamt-einspielungen der Orchestermusik von Edvard Grieg (unter Eivind Aadland) und Robert Schumann (unter Heinz Holliger). Howard Griffiths’ Aufnahme der Ouvertüren von Carl Maria von Weber wurde soeben mit dem Editor's Choice Award des britischen Musikmagazin „Gramophone“ ausgezeichnet.

Stand: 20.04.2016, 11.20 Uhr