"Glück durch Bestätigung"

Interview mit Kirsten Bruhn

"Glück durch Bestätigung"

Kirsten Bruhn ist mehrfache Welt- und Europarekordlerin im paralympischen Schwimmen und Patin der ARD-Themenwoche. Im Interview erzählt sie vom Glück im Unglück.

Kirsten Bruhn

Kirsten Bruhn
© WDR/Kierok

Man kann ja schlecht sagen, ein Motorradunfall sei ein Glück. Andererseits wäre Vieles nicht geschehen, wenn Ihr Unglück 1991 nicht passiert wäre, oder?

Ja, das ist richtig. Wäre der Unfall nicht gewesen, hätte ich auf andere Art und Weise mein Glück gefunden. Aber bei so einem Wendepunkt im Leben muss man sich erst mal neu orientieren. Erst recht bei einem Unfall, der eine Behinderung hinterlässt, ist es eine ganz, ganz große Herausforderung, sich neu zu finden. Es ging ja auch darum, nach neuen Perspektiven zu suchen – und, dass man dann halt auch Glück bekommt.

Das ist Ihnen persönlich gelungen. Mal unabhängig von den Erfahrungen, die Sie machen mussten: Was bedeutet Glück denn für Sie?

Das hat sich für mich durch den Unfall nicht verändert. Glück erfährt man, wenn man Bestätigung erhält. Das können sportliche Ziele sein, oder auch mal einfache Alltags-Beschäftigungen. Glück ist ja auch immer eine Art von Gelingen. Und wenn man etwas geschafft hat, und es einem gelungen ist, Dinge so umzusetzen, wie man sich das vorgestellt hat, dann ist das einfach die Erfüllung, und das ist Glück.

Wenn man Ihre Biografie und Ihre sportlichen Erfolge rekapituliert: Wie war das, sich aufzurappeln? Wieder zum Glück zu finden? Denn das strahlen Sie aus.

Ja, es war in der Tat eine graue Zeit, die sehr lang war, zirka zehn, elf Jahre. Das, was ich in Erinnerung habe, sind wenige Passagen, aber viele davon haben mit Therapie zu tun, haben mit Schmerzen zu tun, haben mit Ungewissheit zu tun. Ich war mit meiner ganzen Situation unzufrieden. Aber ich bin der Typ, der sich Alternativen sucht. Bis ich die gefunden habe, ist zwar mehr Zeit vergangen als erhofft, aber wer weiß, was das für einen Sinn und Zweck hat. 2002 habe ich dann auch einen Anschubser bekommen, bei einer Kur. Damals habe ich begonnen, Schwimmen wieder auf einem Niveau zu betreiben, wie auch schon vor dem Unfall. Schwimmen als Leistungssport hat mir wieder mein Licht und meine Energie und mein Glück gebracht.

Was waren besonders große sportliche Glücksmomente?

Mein erster Weltrekord über 100 Meter Brust, im November 2002, bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften war ein ganz besonderer Moment. Nach den schweren Jahren war da plötzlich ein Moment in dem mir klar wurde, dass meine Leidenschaft, das Schwimmen als Leistungssport, wie vor dem Unfall, wieder im Mittelpunkt stehen würde.

Als die Nominierung in die Nationalmannschaft kam mit der Aussicht auf die Teilnahme an den Paralympic in Athen 2004, da fragt man sich schon: Wie kann es sein, dass der schlimmste Tag deines Lebens die Basis war für die schönsten Tage deines Lebens?

Sie arbeiten jetzt im Unfallkrankenhaus Berlin. Was können Sie da bewegen?

Ich hoffe, dass ich den Patienten dort ein wenig ein Vorbild sein kann. Denn ich habe die Situation in der sie stecken, selbst erlebt. Ich weiß, was es heißt, Schmerzen zu haben, keine Perspektiven zu haben, wie es ist, wenn der eigene Lebensplan komplett über den Haufen geschmissen wird – von einem Tag auf den anderen. Da sitzt man dann mit Freunden, Partnern, mit der Familie, und auch letztendlich mit den Therapeuten und Ärzten und versucht, wieder einen roten Faden im Leben zu finden. Dass das gelingen kann, dafür stehe ich.

Warum haben Sie die Patenschaft für die ARD-Themenwoche übernommen? Warum ist das das Richtige für Sie?

Glück ist nun mal etwas, was wir alle brauchen im Leben, was wir alle suchen und uns auch erarbeiten wollen. Und das ist das Vitamin, was wir im Leben brauchen um auch Motivation zu haben, den nächsten Tag erleben zu wollen. Es ist für mich ein großes Kompliment, dass die ARD in mir jemanden sieht, der Glück darstellt. Auch das ist wiederum ein Glücksmoment und eine Erfahrung, die ich sehr, sehr gerne mitnehmen möchte

Stand: 05.11.2013, 09.00 Uhr