Wer hilft mir beim Sterben?
Wer hilft mir beim Sterben?
aus der Reihe "Die Story"

Harald Mayer kann nur noch seinen Kopf bewegen. Er leidet unter MS, hofft auf Hilfe beim Suizid. Gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt hat er die Bundesrepublik Deutschland auf Herausgabe des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital verklagt.
© WDR
Zweieinhalb Jahre ist es her, da fällte das Bundesverfassungsgericht ein Aufsehen erregendes Urteil: Es kippte den so genannten „Sterbehilfe-Paragraphen“, der die geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid unter Strafe stellte. Inzwischen liegen Entwürfe für ein neues Gesetz vor – restriktive und liberale. Am 28.11.22 werden im Rechtsausschuss des Bundestages Sachverständige dazu angehört, das wird die öffentliche Debatte um den Paragraphen erneut anfachen. Welche politischen Entscheidungen sind notwendig, um Menschen, die sterben möchten, einen würdevollen Tod zu garantieren? Die WDR-Story begleitet Betroffene.
Als Natalja Jaxen 2021 die Diagnose ALS erhält, ist ihr sofort klar, dass sie diese tödliche Krankheit nicht bis zum bitteren Ende durchleben will. ALS beginnt mit der Lähmung der Hände, Arme und Beine und endet damit, dass bei vollem Bewusstsein die Sprach- und Atemmuskeln versagen. So weit will es Natalja nicht kommen lassen. Die 68-Jährige will selbst entscheiden, wann sie „über den Regenbogen geht“, wie sie es nennt. Also bittet sie ihre Palliativärztin um Hilfe beim Suizid, doch die wehrt ab.
Dabei hat laut Grundgesetz jeder das Recht auf assistierten Suizid - ob gesund oder krank. Denn am Aschermittwoch vor zwei Jahren kippte das Bundesverfassungsgericht den §217. Die geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid steht seitdem nicht mehr unter Strafe. Doch welche verbindliche Regelung für Sterbewillige brauchen wir? Und wie können wir angesichts unserer alternden Gesellschaft gleichzeitig Menschen davor schützen, dass ihnen assistierter Suizid aufgedrängt wird?
Harald Mayer begrüßte das Urteil, glaubte nun näher an seinem Ziel zu sein. Der 51-Jährige kann aufgrund von Multipler Sklerose nur noch seinen Kopf bewegen. Gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Robert Roßbruch hat er die Bundesrepublik Deutschland auf Herausgabe des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital verklagt. Damit könnte er sich das Leben nehmen, ohne dass ihm ein Arzt dabei hilft. Für Harald soll das die Notbremse sein, für den Fall, dass er sein Leben nicht mehr erträgt. Doch das Medikament, das Schweizer Sterbehilfevereine verwenden, ist in Deutschland unter Verschluss.
Natalja Jaxen findet zwei Ärzte in ihrem Bekanntenkreis, die ihr eine tödliche Medikamentenmischung besorgen, doch ihr Suizidversuch geht schief und sie wacht im Krankenhaus wieder auf. Sie ist verzweifelt, entscheidet einige Tage später, nichts mehr zu essen und zu trinken, in der Hoffnung, dass ihre Nieren versagen. Auch das gelingt nicht.
Der Film begleitet Natalja Jaxen und Harald Mayer bei der Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Ende – und lässt außerdem Vertreter aus den verschiedenen Lagern – dem konservativen und dem liberalen - erklären, was ihnen bei der zukünftigen Gesetzgebung wichtig ist.
Zu Wort kommen:
Katrin Helling-Plahr, Bundestagsabgeordnete der FDP
Ansgar Heveling, Bundestagsabgeordneter der CDU
Prof. Claudia Bausewein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
Prof. Robert Roßbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben
Ein Film von Erika Fehse und Renate Werner
Stand: 21.11.2022, 15.00 Uhr