Unser Land in den 60ern – Eine Zeitreise erzählt von Sabine Postel

Neuer WDR-Vierteiler

Unser Land in den 60ern – Eine Zeitreise erzählt von Sabine Postel

In der neuen vierteiligen Reihe geht der WDR auf Zeitreise – Sabine Postel übernimmt die Erzählerinnenrolle und führt uns durch ein Jahrzehnt, das Nordrhein-Westfalen geprägt hat wie kaum ein zweites. Die Architektur von damals formt bis heute das Gesicht unserer Städte und Gemeinden. Zehntausende Menschen, die in diesen Jahren gekommen sind, um die Wirtschaft im Land weiter anzukurbeln, haben an Rhein und Ruhr eine neue Heimat gefunden. Und die Hits dieser Jahre sind heute Evergreens mit Ohrwurm-Garantie.

V.l. Die Beatles 1966 in der Essener Grugahalle, junge Damen in Miniröcken, Montage des Opel Kadett A im Werk Bochum, der erste Bundeskanzler der jungen Repubik, Konrad Adenauer (bis 1963) in unserer frei kolorierten Kombo.
© WDR/imago/dpa

WDR Fernsehen am Freitag, 13. November 2020 um 20.15 Uhr

Die erste Folge mit dem Titel „Der Duft der großen weiten Welt“ von Simone Schillinger schildert den Aufbruch in ein neues Jahrzehnt, in dem Nordrhein-Westfalen nur eine Richtung kannte: Volle Kraft voraus! Das Wirtschaftswunder machte es möglich. Immer mehr Menschen konnten sich nun ein Auto leisten und richtig „Strecke machen“. Es war auch eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs: Mit Elisabeth Schwarzhaupt nahm 1961 die erste Frau den Platz an der Spitze eines Bundesministeriums ein – gegen den Willen von Bundeskanzler Konrad Adenauer. Deutschland wurde weltoffener und begrüßte die ersten „Gastarbeiter“ aus Spanien, Griechenland und der Türkei.

Kein Bundesland nahm damals mehr DDR-Flüchtlinge auf als NRW – und die meisten der Menschen kamen in die Aufnahmestelle nach Unna-Massen. Auch Familie Deterling. Ingrid Deterling und ihr Sohn Manfred berichten von ihrer spektakulären Flucht und der aufreibenden Zeit danach.

Beim Städtebau orientierte man sich an den Vereinigten Staaten. Es entstanden Hochhäuser nach dem Vorbild amerikanischer Wolkenkratzer. Allen voran: das Dreischeibenhaus, das das Gesicht der Landeshauptstadt bis heute prägt. Aber auch musikalisch gaben die USA den Ton an. Der Clou: Viele internationale Hits wurden einfach „eingedeutscht“ und stürmten die Charts.

WDR Fernsehen am Freitag, 20. November 2020 um 20.15 Uhr

Folge 2: Eine Klasse für sich - Ein Film von Kathrin Schwiering

Bezahlter Urlaub - das war neu! Zu Beginn des Jahres 1963 trat das „Bundesurlaubsgesetz“ in Kraft. Auf einmal durften Arbeitnehmer 24 Tage im Jahr verreisen – bei voller Lohnfortzahlung. Die Menschen in NRW packte das Fernweh und sie reisten nach „Bella Italia“. Schnell bekam der Küstenort Rimini den Spitznamen „Teutonengrill“, denn hier sonnten sich vor allem Deutsche. Wer sich nicht über den Brenner traute, der machte Urlaub in NRW. Beliebtes Ziel: Der Teutoburger Wald mit seinem sagenumwobenen Hermannsdenkmal. Ganz in der Nähe wuchs Wilfried Mellies auf und erlebte mit, wie seine Heimat zur Touristenhochburg wurde.

Bundeskanzler Konrad Adenauer empfing internationale Staatschefs wie den jungen US-Präsidenten John F. Kennedy. Beim seinem Besuch stand NRW Kopf. Deutschland war ein wichtiger Bündnispartner. Es war die Zeit des Kalten Krieges und die Bundesrepublik NATO-Mitglied. Um für den Ernstfall gewappnet zu sein, kaufte Außenminister Franz-Josef Strauß beim US-Rüstungskonzern Lockheed den „Starfighter“. Die ersten Kampfflugzeuge wurden im Fliegerhorst Nörvenich im Kreis Düren bei Köln stationiert. Täglich mussten die Bewohner in Oberbolheim den ohrenbetäubenden Lärm ertragen und kämpften für die Umsiedlung ihres Dorfes. Als 1962 ein Starfighter bei einem Absturz in eine Fabrik in Oberbolheim raste, stimmte der Bund endlich der Umsiedlung zu. Bald bekamen die Starfighter Spitznahmen wie „Witwenmacher“, „Sargfighter“ oder „Starfaller“. Verteidigungsminister Franz Josef Strauß geriet für seine Rüstungspolitik immer mehr in die Kritik. Letztlich gipfelte diese in der „Spiegel-Affäre“ und Strauß musste zurücktreten.

Fußball war schon in den 60ern ein Zuschauermagnet. Damals war der 1. FC Köln der reichste und professionellste Verein in ganz Deutschland – mit den meisten Sponsoren, Geld und Know-how. In der ersten Saison waren die Kölner haushoher Favorit und holten am Ende die Deutsche Meisterschaft. Auch Dank „Kalli“ Thielen, der in der ersten Bundesliga-Saison 16 Tore schoss.

WDR Fernsehen am Freitag, 27. November 2020 um 20.15 Uhr

Folge 3: Weg mit dem Grauschleier - Ein Film von Carolin Wagner

In der dritten Folge der neuen vierteiligen WDR Reihe „Unser Land in den 60ern“ stehen die Jahre 1965 bis 1967 im Fokus – eine Zeit des Umbruchs: In Düsseldorf beendete die SPD die bis dato ungebrochene Macht der CDU. Heinz Kühn wurde Ministerpräsident. Die Zeit des ungebremsten Wachstums war vorbei. Im Ruhrgebiet machte das billige Erdöl der Kohle Konkurrenz.

Hohen Besuch gab es auch: Zuerst kam die Queen, und im Sommer 1966 reisten die Beatles nach NRW – zu ihrem legendären Konzert in Essen. Im WDR wurde zur gleichen Zeit ein „Märchen von übermorgen“ zum Kult. Am 17.09.1966 startete Commander Cliff Allister McLane in seiner Orion zum Weltraumabenteuer – mit Badezimmerarmaturen und Bügeleisen als berühmteste Requisiten der deutschen Fernsehgeschichte.

Der Tod von Altbundeskanzler Konrad Adenauer am 19. April 1967 markiert endgültig das Ende der Nachkriegszeit. Es stand etwas Neues bevor. In Köln liefen Studenten und Schüler in tagelangen Protesten gegen die Fahrpreiserhöhungen der KVB Sturm. Es war der Anfang von Protesten gegen die alten Machtstrukturen und für mehr Demokratie. Sie sollten bald das ganze Land erschüttern.

Die Filmemacher haben nicht nur beeindruckendes und zum Teil noch nie gezeigtes Bildmaterial aus den Sechzigern aufgespürt, sondern auch Menschen getroffen, die ihre ganz persönliche Geschichte aus dieser Zeit erzählen. So erinnert sich Ulrich Wickert an seine Studentenzeit in Bonn – als er zuerst die Queen und kurz darauf Rudi Dutschke traf.

WDR Fernsehen am Freitag, 4. Dezember 2020 um 20.15 Uhr

Folge 4: „Wir können auch anders“ - Ein Film von Anke Rebbert

Ende der 60er Jahre liegt Veränderung in der Luft: Junge begehren gegen Alte auf, Frauen drängen auf mehr Gleichberechtigung, die Jugend will raus aus den angepassten Strukturen. Es knirscht an vielen Stellen. Zechen müssen schließen. Das Ruhrgebiet ist nicht mehr nur Arbeiter-, sondern zunehmend auch Akademiker-Revier.

In der letzten Folge von „Unser Land in den 60ern“ stehen 1968 und 1969 im Fokus: Frauen zeigen, dass sie auch anders können. Eine Rennfahrerin fährt den Männern davon und Geseke feiert Ingrid Becker, „seine“ Olympiasiegerin der Spiele in Mexiko. Willy Brandt wird der erste Bundeskanzler der SPD, und die Amerikaner landen auf dem Mond.

Das Land im Umbruch. Menschen aus der Türkei, Spanien, Griechenland oder Italien, die für die Arbeit unter Tage angeworben wurden, bauen sich neue Existenzen auf. Mittendrin eine Pizzeria in Oberhausen. Rosetta Leones Onkel Salvatore ist 1968 einer der ersten im Revier. Rosetta verlässt ihr Dorf in Kalabrien und macht sich als junges Mädchen auf nach Oberhausen. Aus dem Ferienjob wird eine Lebensentscheidung. Sie bringen die Pizza nach Oberhausen und damit ins Revier. Noch heute betreibt Rosetta Leone das Restaurant.

Zur gleichen Zeit starten ein paar Kilometer weiter die Internationalen Essener Songtage – eine Art Woodstock im Revier, ein Jahr vor dem legendären Festival in den USA. Politische Diskussionen gehören in Essen dazu. In allen größeren Städten Nordrhein-Westfalens demonstrieren Menschen für mehr Freiheiten und Mitbestimmung. Proteste gegen einen für sie altbackenen und konservativen Staat. Sie wehren sich gegen schlechte Studienbedingungen und Professoren, die schon währen der Nazi-Diktatur lehrten.

Den legendären Afri-Cola-Spot schafft Charles Wilp aus Witten: Lasziv blickende Models in Nonnentracht schlürfen Cola. Der Spot ist so revolutionär, dass er später sogar zur documenta eingeladen wird.

1969 wird Willy Brandt zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler gewählt. Er steht für eine vor allem von den Jüngeren geforderte neue Politik. Die sozial-liberale Koalition im Bund hat ihr Vorbild in Düsseldorf mit Ministerpräsident Heinz Kühn und Innenminister Willi Weyer.

Im Juli 1969 hält die Mondlandung die Welt in Atem. Auch hier fiebern die Menschen mit. Drei Monate nach ihrer Landung sind die Astronauten in Köln zu Gast. Und beim Empfang im Rathaus kommt es zur Begegnung von Neil Armstrong mit einem entfernt verwandten Onkel aus dem Münsterland. Was kann da noch schief gehen, auf dem Weg ins neue Jahrzehnt? Der erste Mensch, der eine Fahne in die Oberfläche des Mondes rammt, hat seine Wurzeln, ganz großzügig betrachtet, in Nordrhein-Westfalen.

Produziert werden die Filme von BROADVIEW TV, die bereits in den vergangenen Jahren mit den Dokumentationsreihen „Unser Land in den 70ern“, „Unser Land in den 80ern“ und „Unser Land in den 90ern“ in die Vergangenheit gereist ist.

Redaktion: Barbara Schmitz (WDR)

Stand: 26.10.2020, 12.00 Uhr