WM Katar – FIFA muss erstmals Ausbeutung von Gastarbeitern auf den WM-Stadionbaustellen zugeben
WDR-„Sport inside“
WM Katar – FIFA muss erstmals Ausbeutung von Gastarbeitern auf den WM-Stadionbaustellen zugeben
Gastarbeiter aus Nepal richten im WDR-Magazin „Sport inside“ (WDR Fernsehen, 5. Juni 2019, 22.55 Uhr) massive Vorwürfe an die Adresse der Firma TAWASOL, die als Subunternehmer am Bau des Stadions Al Bayt in Al Khor, Katar beteiligt ist. Sie sprechen von schweren Unfällen mit Todesfolge, Misshandlungen und nicht ausbezahlten Gehältern. Das WM-Organisationskomitee in Katar schließt aus, dass es die beschriebenen Todesfälle auf der Baustelle gab, von Misshandlungen sei dem Komitee nichts bekannt. Erstmals muss die FIFA gegenüber der Presse einräumen, dass es auf einer WM-Baustelle „Verstöße“ gegen das Arbeitsrecht gab. “Uns ist bekannt, dass bezogen auf die Firma TAWASOL – einem Subunternehmer beim Bau des Al Bayt Stadions – Verstöße gegen die Standards für die Arbeiter festgestellt worden sind“, so die FIFA-Pressestelle.
Bauarbeiten im Stadion Al Bayt im Dezember 2018
© AFP/David Harding
Das für die Ausrichtung der WM zuständige Supreme Committee for Delivery and Legacy (SC) in Katar konkretisiert: 23 Arbeitern von TAWASOL seien inzwischen Löhne nachbezahlt worden. Sie arbeiteten nun weiterhin für die Firma auf der Baustelle. TAWASOL wurde der Auftrag demnach nicht entzogen. Dazu das WM-Organisationskomitee in Katar: „Das Organisationskomitee SC hat dieses Unternehmen von zukünftigen SC-Ausschreibungen so lange suspendiert, bis es sich gänzlich an alle Vorschriften hält.“
Der Gastarbeiter Nagindar Yadav hatte für TAWASOL ein Jahr lang auf der Baustelle Al Bayt gearbeitet: „Wir hatten Angst um unsere Sicherheit, vor allem in großer Höhe. Zwei Arbeiter sind vor meinen Augen im Stadion gestorben. Wir standen unter Schock. Wir haben uns geweigert weiterzuarbeiten, doch die Vorgesetzten zwangen uns. Ein anderes Mal wurden sieben Arbeiter grundlos im Büro von TAWASOL verprügelt. Und wenn wir krank waren, durften wir nicht im Bett bleiben, sondern mussten zur Strafe raus in die Hitze. “Die Firma äußerte sich zu diesen schweren Vorwürfen auf Anfrage nicht.
„Sport inside“ hat im Mai 2019 vor Ort verdeckt recherchiert und weitere schwere Verstöße gegen das geltende Arbeitsrecht des Landes Katar gefunden: Einer großen Gruppe Gastarbeiter aus Nepal – weit über einhundert Arbeiter, so berichten es mehrere Betroffene – habe der katarische Firmenboss die Pässe abgenommen. Viele von ihnen hätten seit November 2018 keine Gehälter bekommen.
So sagt Gastarbeiter Dil Prasad: „Insgesamt sind wir 125 Arbeiter, die hier festsitzen. Wir sind Gefangene. Jeden Tag essen wir Brot und Wasser – ohne Geld können wir uns nichts anderes leisten.“ Und Adi Bahadur Gurung ergänzt: „Seit November erzählte uns der Firmenboss immer wieder, dass unser Gehalt kommen würde. Immer wieder verlangte er von uns, dass wir geduldig sein sollen. Am Anfang glaubten wir ihm und arbeiteten weiter. Im März, nach vier Monaten ohne Geld, hörten wir dann auf zu arbeiten.“
Die FIFA spricht von „schwerwiegenden Vorwürfen“, denen man nachgehen wolle. Die betroffenen Firmen wie auch die Behörden in Katar reagieren nicht auf Anfrage von „Sport inside“.
Nach offiziellen Zahlen der Regierung in Nepal sind in den letzten zehn Jahren 1.426 Gastarbeiter aus Nepal in Katar ums Leben gekommen. 522 davon verstarben an plötzlichem Herztod, 148 bei Arbeitsunfällen. Wie viele dieser Todesfälle mit der WM in Zusammenhang stehen, ist unbekannt. In mehreren Berichten hatten Amnesty International und Human Rights Watch die katastrophale Lage für die Gastarbeiter in Katar angeprangert. Der WM-Ausrichter Katar hatte in den letzten Jahren sein Arbeitsrecht internationalen Standards angepasst. Die FIFA, die mit der WM Milliarden Euro verdient, hat sich laut eigenem Statut verpflichtet, die Menschenrechte zu schützen.
Ihr Präsident Gianni Infantino, der heute zur Wiederwahl ansteht, sagt zum Ausrichter Katar: „Diese WM wird ein großartiges Erbe hinterlassen. Vor allem, was die die soziale Lage angeht. Bereits jetzt gibt es einen sehr wichtigen sozialen Einfluss.“
Stand: 05.06.2019, 05.00 Uhr