Bundesliga-Schiedsrichter kritisiert Videobeweis und bekräftigt Gräfe-Kritik

ARD/WDR-Interview

Bundesliga-Schiedsrichter kritisiert Videobeweis und bekräftigt Gräfe-Kritik

Einer der 24 Bundesliga-Schiedsrichter schaltet sich in die Debatte im deutschen Schiedsrichterwesen ein. Im Interview mit der ARD Sportschau und der WDR-Sendung Sport inside äußert sich der Erstliga-Schiedsrichter nicht nur zum Streit um mutmaßliche Vetternwirtschaft und Machtmissbrauch, sondern kritisiert auch Planung und Umsetzung des Videobeweises. Ein Großteil der Schiedsrichter sei nicht zufrieden mit der Bildqualität und nahezu alle neuen Operatoren hätten keine Berufserfahrung, ihnen fehle manchmal das Gefühl für den Fußball, so der Bundesliga-Schiedsrichter, der seine Kritik anonym äußert.

Sport Inside

© WDR

In dem Anfang Oktober geführten Interview kritisiert der Schiedsrichter vor allem Hellmut Krug, Projektleiter für den Videobeweis beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Krug habe intern immer betont, „dass das alles zum Projektstart funktioniert. Technik, Funkverbindung, Bilder mit kalibrierter Abseitslinie. Aber das Gegenteil war der Fall. Warnsignale wurden aus meiner Sicht missachtet“, sagt er. Bereits in der Testphase habe die Kommunikation zwischen Videoschiedsrichter und Schiedsrichter bei eigens veranstalteten Testspielen aufgrund technischer Probleme nicht immer geklappt. Außerdem behauptet der Bundesliga-Schiedsrichter gegenüber ARD und WDR, dass es mittlerweile eine Verschwiegenheitserklärung im Zusammenhang mit dem Videoschiedsrichter gebe. „Offensichtlich sollen keine Entscheidungsprozesse nach außen dringen.“ Mit allen Vorwürfen konfrontiert, äußerte sich weder Hellmut Krug noch der DFB, der auf ein laufendes Verfahren bei der unabhängigen Ethikkommission verweist.

Nach den Recherchen von ARD und WDR weist die Umsetzung des Videobeweises in der Fußball-Bundesliga weitere gravierende Mängel auf: So soll in der Testphase nur mit sechs Kamera-Einstellungen gearbeitet worden sein, obwohl bei Bundesligaspielen 19 Einstellungen Standard sind. Die technischen Rahmenbedingungen sollen bei fünf parallel laufenden Bundesligaspielen, wie an einem Samstag üblich, nicht getestet worden sein. Und: Die Kommunikation zwischen Video-Schiedsrichter und Schiedsrichter sei nicht gesichert, so dass ein Zugriff von außen möglich ist.

Bereits seit Wochen gibt es nicht nur Diskussionen um den Videobeweis, sondern auch um die Strukturen im Schiedsrichterwesen. Vor dem Saisonstart warf Manuel Gräfe, einer der Top-Schiedsrichter der Fußball-Bundesliga, den früheren Schiedsrichter-Chefs Hellmut Krug und Herbert Fandel Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft vor. Auch zu diesen Themen äußert sich der Bundesliga-Schiedsrichter gegenüber ARD und WDR: „Manuel Gräfe kämpft in der Öffentlichkeit allein auf weiter Flur. Wenn man mit einigen Schiedsrichtern spricht, dann bestätigen die seine Aussagen. Aber es gilt eben nicht für alle Schiedsrichter. Einige wollen sich nicht hineinziehen lassen, andere profitieren.“

Im Zentrum der Kritik: Hellmut Krug. Der beeinflusse „nach wie vor einige der Schiedsrichterbeobachter. Das Beobachtungswesen wurde reformiert. Dadurch ist sicherlich ein weiterer Druckfaktor genommen. Trotzdem gilt nach wie vor, dass Beobachter vor ihren Berichten gesagt bekommen, wie welche Szene zu bewerten sei. Das ist ein seit Jahren etablierter Prozess. Anfang 2016, im Trainingslager auf Mallorca, hatte sich knapp die Hälfte aller Schiedsrichter in einer anonymen Umfrage über Hellmut Krug beschwert. Krug hat ganz klar seine Lieblinge, über die er immer die schützende Hand hält. Seine Bewertungen von Fehlern sind oftmals personenabhängig“, so der Bundesliga-Schiedsrichter.

Auch zu diesen Vorwürfen äußerten sich weder Hellmut Krug noch der DFB.

Stand: 28.10.2017, 18.00 Uhr