Mensch, Martin – Wie Martin Schulz Kanzler werden will
WDR Fernsehen
Mensch, Martin – Wie Martin Schulz Kanzler werden will
aus der Reihe „die story“
Ein Film von Beate Becker, Christiane Meier und Cornelia Kolden
Martin Schulz
© WDR/dpa
Ein Aufatmen geht durch die SPD seit Martin Schulz ihr Kanzlerkandidat ist. Der ehemalige Präsident des EU-Parlaments gilt als bodenständig und glaubwürdig. Endlich ein Kandidat, der Klartext redet, der sich hochgearbeitet hat und die Sorgen der Menschen versteht, hoffen die Sozialdemokraten. „Ein Sozi von altem Schrot und Korn!“ urteilt Franz Müntefering.
Schon in der ersten Woche als designierter Kanzlerkandidat erreicht Martin Schulz erstaunlich hohe Beliebtheitswerte. Im aktuellen Deutschlandtrend vom 24. Februar liegt die SPD erstmals seit zehn Jahren mit 32% in der Sonntagsfrage vor der CDU/CSU. Schulz hetzt von Termin zu Termin und will der Basis beweisen, dass er es kann. Er gilt als leidenschaftlicher Kämpfer, will enttäuschte Wählerinnen und Wähler zurückholen und zeigt sich selbstbewusst und siegessicher, wenn er verspricht: „Ich als Kanzler werde dafür sorgen, dass es gerechter zugeht in unserem Lande.“
EU-Politiker Alexander Graf Lambsdorff (FDP) sagt, man habe ihn in Brüssel „Kampfschwein“ genannt, der Mann habe ungeheuer viel Energie. Rebecca Harms von den Grünen zweifelt, ob es ihm gelingt, bei so viel Zustimmung auf dem Teppich zu bleiben.
Kann Martin Schulz halten, was sich seine Partei von ihm erhofft? Wer ist dieser Mann aus Würselen bei Aachen, der den erstaunlichen Aufstieg vom Bürgermeister einer Provinzstadt an die Spitze der EU in Brüssel schaffte? Der Vater Polizist, Bergmannssohn, Geigenspieler, Sozialdemokrat. Die Mutter rheinisch-katholisch und Mitbegründerin des CDU-Ortsvereins. Vier Geschwister, das Elternhaus quirlig, diskussionsfreudig. Der „rote Martin“ wird auf dem erzkatholischen Gymnasium Schulsprecher, bewundert Willy Brandt und macht für ihn Wahlkampf. Eine Willy-Brandt-Statue schmückt sein Büro, als er längst den Präsidentensessel des Europäischen Parlamentes in Straßburg besetzt und mit den Mächtigen der Welt verkehrt. Schlagfertig, kämpferisch und ehrgeizig verhilft der Mann aus dem Dreiländereck dem Europäischen Gedanken zu neuem Ansehen – weil er tief davon überzeugt ist.
Martin Schulz gilt als ein Politiker mit Bodenhaftung. Er blieb in Würselen wohnen, wo ihn jeder kennt – und seine Geschichte vom verpassten Abitur, der missglückten Fußballerkarriere, den Alkoholproblemen und seinem Neuanfang mit Hilfe von Freunden und Geschwistern.
Schulz bekennt, die SPD habe bei der Agenda 2010 Fehler gemacht, die er korrigieren will. Als Beispiel nennt er das Arbeitslosengeld 1, dessen Bezug er verlängern will, ohne konkret zu werden. Die Gewerkschaften sind begeistert, die Arbeitgeber warnen vor einer Veränderung der Agenda 2010. Für seine politischen Gegner ist Martin Schulz schwer zu fassen.
Redaktion: Angela Jaenke und Gudrun Wolter
Stand: 28.02.2017, 14.15 Uhr