Das Auge des Jahrhunderts – Das Vermächtnis des Fotografen August Sander

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Das Auge des Jahrhunderts – Das Vermächtnis des Fotografen August Sander

von Ein Film von Anke Rebbert

Was für eine phantastische Idee! Da kommt ein Fotograf, der eigentlich Bauer oder Bergmann werden sollte, auf die Idee, eine Gesellschaft abzubilden. Er entschließt sich, von den unterschiedlichen Menschen in Deutschland eine Art Jahrhundertporträt zu machen. In über sechs Jahrzehnten entstehen Tausende Fotos. Er nennt dieses Projekt “Menschen des 20 Jahrhunderts“ - ein Lebenswerk, das er selbst nicht zum Abschluss bringen wird. Ein Werk, auf das sich heute noch viele Fotografen beziehen.

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Geboren in einem kleinen Ort im Westerwald, zwischen Siegerland und Rheinland, taucht August Sander 1910 in Köln auf. Porträts sind seine Spezialität. Er gibt den Menschen das Gefühl, dass sie vor seiner Kamera gut aufgehoben sind. Er fährt in den Westerwald und bietet den Bauern seine Dienste als mobiler Fotograf an. Anfang des 20 Jahrhunderts entstehen dort wunderbar poetische Porträts der Menschen, die dort leben.

In den 1920er Jahren macht Sander den entscheidenden Schritt vom Handwerker zum Künstler. Er kommt auf die Idee, den riesigen Berg an Fotos in Gruppen zu ordnen und jeder Gruppe eine Überschrift zu geben - Der Bauer, Der Handwerker, Die Frau, Die Stände, Die Künstler, Die Großstadt, Die letzten Menschen - und so ein Porträt seiner Zeit zu entwerfen.

Wie sieht ein Handlanger zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus, wie ein Bauer und wie eine Sekretärin? Sander hat all diese Menschen fotografiert und für die Nachwelt festgehalten. Was Sanders intensive Porträts unsterblich macht, ist ihre Präsenz. Alle sind Typus und Individuum zugleich. Das Wesen der Zeit in Gesichtern spiegeln, auf diesem Konzept fußt das Lebenswerk von August Sander.

Die Dokumentation “Das Auge des Jahrhunderts“ spürt der DNA des Künstlers nach. Seine berührenden Bilder sind Inspiration und Maßstab auch für die heutige Fotografen-Generation. Im August Sander Archiv der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln lagern 11.000 Glasnegative und werden dort wissenschaftlich aufbereitet - die Hardware des legendären Fotografen.

Die Fotografin Hilla Becher, in ihrem letzten Interview vor ihrem Tod im Oktober 2015, der Fotograf Oliver Sieber, spezialisiert auf Porträts von Jugendszenen und Subkulturen, der Modeblogger Gunnar Hämmerle und auch Architekturfotograf Reinhard Matz erzählen von der Bedeutung und ihrer Inspiration durch August Sander. Die Leiterin der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln, Gabriele Conrath-Scholl, ermöglicht einen Einblick in das Handwerk des Meisters.

Und Sanders Urenkel Julian Sander lüftet das Geheimnis, warum dessen berühmtes Motiv eines Konditors zwischen 1,50 und 1 Million Euro kosten kann.

Redaktion: Christiane Hinz

Stand: 23.02.2016, 08.00 Uhr