Hinweise auf Minderjährigen-Doping mit System im westdeutschen Sport – Vorwürfe gegen früheren Nada-Vorstand Clasing

WDR-Magazin sport inside

Hinweise auf Minderjährigen-Doping mit System im westdeutschen Sport – Vorwürfe gegen früheren Nada-Vorstand Clasing

Die Hinweise auf Minderjährigen-Doping mit System im westdeutschen Spitzensport der 70er und 80er Jahre verdichten sich. Das berichtete das WDR-Magazin »sport inside« in seiner Ausgabe vom Montag (16. März) nach Recherchen im Staatsarchiv Freiburg, wo die lange verschollenen Akten aus dem 1984 eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen den Freiburger Mediziner Armin Klümper lagern.

Anabolika

© WDR/imago/Imagebroker/Theissen

Nach Informationen von sport inside befindet sich in den Akten eine Rechnung für Medikamentenlieferungen, die Klümper am 28. Dezember 1977 an den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) schickte. Sie ist ausgestellt für Arzneien, die Chef-Verbandsarzt Klümper dem BDR ausdrücklich „für die gesamte Betreuung von Jugendlichen und Junioren“ zukommen ließ. Die beigefügte Medikamentenliste mit Präparaten für insgesamt 3146,20 D-Mark enthält vier der seinerzeit im Spitzensport häufig eingesetzten Anabolika, sowohl Ampullen als auch Tabletten: Testoviron, Primobolan, Deca-Durabolin und Megagrisevit. Auch das Leberschutzmittel Hepagrisevit ist gelistet.

Die Klümper-Rechnung ist der erste Beleg dafür, dass ein olympischer Spitzenverband in der alten Bundesrepublik Dopingmaßnahmen auch für minderjährige Athleten geplant hatte. Der Deutsche Sportbund (DSB) hatte Anabolika 1977 auf die Doping-Verbotsliste gesetzt.

Klümper will die vier gesundheitsgefährdenden Präparate an den damals für die Betreuung von Jugendlichen und Junioren zuständigen Münsteraner Sportmediziner Dirk Clasing geschickt haben, der 2002 auch in den Gründungsvorstand der Nationalen Anti-Doping Agentur (Nada) berufen wurde. Von sport inside mit der Klümper-Rechnung konfrontiert, räumte Clasing lediglich den Empfang des Anabolikums Megagrisevit ein. Das habe er allerdings nicht eingesetzt. Über die anderen Präparate sei er erstaunt. Clasing wörtlich: „Die anderen kenn ich schon, aber die hab ich nicht gehabt.“

Von sport inside befragt, wie er den von Klümper behaupteten Anabolika-Einsatz bei Jugendlichen und Junioren bewerte, vertrat Clasing die Auffassung, dass Anabolika bei Junioren nicht schädlich seien. Junioren seien, so Clasing, 18 bis 22,23 Jahre alt, „die können entscheiden was sie wollen, schaden tut’s nicht“. Der Mediziner räumte ein, dass Anabolika „Frauen und Heranwachsenden“, also Minderjährigen, schaden könnten.

Nach Recherchen von sport inside wurden sämtliche Präparate einschließlich der Anabolika aus Steuergeldern finanziert. Der Bund Deutscher Radfahrer bezahlte die Klümper-Lieferungen an andere Verbandsärzte, Masseure und an zwei Bundestrainer aus einem so genannten Ärzteplan. Das Geld dafür kam – so gab der BDR-Geschäftsführer 1984 in seiner Befragung durch das Landeskriminalamt an – aus den „jährlichen Bundeszuwendungen im Rahmen der Jahresplanung für zentrale Sportmaßnahmen“, also aus den Fördermitteln des Bundesministerium des Innern.

Klümper wurde 1989 vom Landgericht Freiburg zu einer Geldstrafe wegen Betrugs verurteilt. Der Hinweis auf das vom BDR finanzierte Minderjährigen-Doping spielte in dem Verfahren keine Rolle – obwohl dies auch in der alten Bundesrepublik den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllt hätte.

Stand: 17.03.2015, 14.32 Uhr