Fragen an Produzent Sven Miehe und WDR-Redakteurin Anke Hirschel

Fragen an Produzent Sven Miehe und WDR-Redakteurin Anke Hirschel

Sven Miehe / Anke Hirschel

© WDR/Kolja Raschke/Annika Fußwinkel

Warum braucht diese Zeit eine neue Mystery-Erzählung?

Anke Hirschel: Mystery, das Rätsel um das Geheimnisvolle, Feinstoffliche, nicht Erklärbare gab es schon immer und die Lust des Publikums sich zu gruseln auch. Lange traten True Crime Geschichten in den Vordergrund. Mit dieser Mystery möchten wir das Publikum einladen, sich bei dieser rätselhaften und groß angelegten Geschichte gruseln zu können und gleichzeitig in Sicherheit zu wissen. Denn am Ende eines jeden Films soll zumindest ein Teil geklärt sein, ohne dass schon alle Fragen eine Antwort finden.

Sven Miehe: Natürlich haben Filme wie „Wäldern“ auch einen eskapistischen Charakter, und gerade in raueren Zeiten zieht es uns alle in andere Welten. In einen Kosmos, den wir nicht kennen. Zugleich können wir auf der Mystery-Folie von Ängsten und Themen erzählen, die uns alle berühren – wie kommen wir damit klar, dass wir jemanden verlieren, den wir lieben? Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Was ist Freundschaft? Aber wir wollten hier natürlich auch etwas schaffen, das wir im Deutschen Fernsehen so noch nicht gesehen haben.

Was hat Sie an der Idee von Till Franzen und Martin Simons angesprochen?

Sven Miehe: Das Genre sicherlich auch, aber eben auch die Figuren, die wir hier kennenlernen. Lara Glanz ist eine Protagonistin, die sich so ganz und gar nicht über die Liebe zu einem Mann definiert, sondern über die eigene Geschichte, Gegenwart und Zukunft. An Laras Seite stehen mit Dorothea und Rudolf zwei Charaktere, die wir so auch nicht häufig sehen im deutschen Fernsehen: liebenswert und im besten Sinne eigenartig.

Anke Hirschel: In erster Linie hat mich auch direkt die Figur Lara Glanz angesprochen. Sie berührte mich, machte mich neugierig, ihr zu folgen und ließ mich hoffen, dass sie erfolgreich ihre Nichte wiederfindet. Ich mochte auch sofort den Kosmos, den die beiden Autoren Simons und Franzen entwarfen: eine scheinbar normale Dorfgemeinschaft in unserer bewaldeten Heimat. Diese realistische Welt, in der sich plötzlich der Grusel auftut, wunderbar! Eben das Maß an Spannung und Rätsel, das fein austariert bei „Wäldern“ erzählt wird, hat mich in Bann gezogen.

Was ist das Besondere an „Wäldern“?

Anke Hirschel: Herausragend finde ich die Besetzung der Frauen und wie die Verbindung von Lara zu Dorothea und auch zu ihrer Schwester erzählt wird. Aber auch sehr besonders ist, wie Mystery zu Crime gesetzt wird und wie die Spannungsmomente inszeniert sind. Die visuelle Ansprache halte ich auch für sehr gelungen. Die Bilder, die Till Franzen gewählt hat, entführen einen und lassen einen in diesen geheimnisvollen Ort „Wäldern“ eintauchen, immer mit der Prise Realismus versehen.

Sven Miehe: Für mich sind es zwei Filme, die ich so nicht in der ARD vermuten würde. Die erste große Mystery-Erzählung für den FilmMittwoch und damit für uns alle ein aufregender Sprung in etwas Neues. Zugleich haben unsere Filme ganz klar den Anspruch, große Unterhaltung zu sein. Wir wollen die Zuschauerinnen und Zuschauer in eine Welt entführen, die sie noch nicht gesehen haben. Eine Welt mit so vielen, und so großen Geheimnissen, dass sich hoffentlich viele Zuschauer wünschen, dass wir nach diesen zwei Filmen weiter erzählen.

Wie haben Sie die Drehorte ausgewählt – welche Kriterien mussten erfüllt werden?

Sven Miehe: Bei dem von unserem Szenenbildner Simon Schläger gesteuerten Prozess ging es darum, eine neue Welt zu erschaffen, die es ja zu Beginn nur in den Köpfen von Till Franzen und Martin Simons gab, mit der sie uns sozusagen ‚infiziert‘ haben. Dann haben wir eine gemeinsame Vision, der jedes Motiv gerecht werden muss. Hier ging es um eine Welt, die so glaubhaft wie zeitlos sein sollte. Die Drehorte müssen uns auch eine Atmosphäre schenken, die zu unserem Genre passt. Und natürlich müssen unsere Motive auch überzeugende Entwürfe für die Orte der anderen Welt sein, die unsere Protagonistin entdeckt.

Wieso ist der Wald für die Menschen immer noch ein von Geheimnissen umwobener Ort? Was macht den Wald so mystisch? Und was bedeutet er Ihnen persönlich?

Sven Miehe: Für mich ist der Wald tatsächlich ein Kraftspender. Ich laufe und gehe gerne im Wald spazieren und bin danach eigentlich immer besser drauf als davor. Zugleich ist es natürlich ein Ort der Geräusche, der Dunkelheit und ein Ort, der für uns Menschen in der Regel kein Zuhause ist, dem wir – so kann man es sagen – egal sind. Der Wald macht sein Ding.

Anke Hirschel: Wald ist für mich ebenfalls ein imposanter und wohltuender Ort, gleichzeitig aber auch respekteinflößend, weil er Habitat von vielerlei Organismen ist, deren Zusammenspiel ober- wie unterhalb der Oberfläche mit den menschlichen Sinnen nur bedingt erfasst werden kann. Ein Geheimnisträger par excellence.

Was waren die Schwierigkeiten bei dieser Produktion?

Sven Miehe: Die größte Herausforderung haben wir uns selbst gesetzt – diese Filme sollten ganz besonders aussehen. Oft haben wir beschlossen, weiter zu suchen. Waren nie schnell zufrieden. Und natürlich ist es nicht leicht, eine andere Welt zu etablieren, die die Zuschauerinnen und Zuschauer auch glauben können. Das zugleich in eine Welt zu betten, mit der wir alle etwas anfangen können. Schließlich hatten wir auch 2023 noch ganz banal mit ein paar Corona-Fällen zu kämpfen. All das haben wir mit einem Team geschafft, mit dem wir sehr gerne auch weiter von dem großen Geheimnis erzählen, das Lara Glanz hier entdeckt.

Was unterscheidet einen Mystery-Dreh von einem normalen Dreh?

Sven Miehe: Am Ende erzählen wir ja auch etwas ’Normales’, nämlich die Geschichte einer jungen Frau auf der Suche. Aber klar, Mystery heißt immer: mehr Nebel, mehr Spezialeffekte, mehr Gespräch über die Frage, woran wir glauben.

Stand: 22.08.2024, 09.45 Uhr