Gespräch mit Johannes Schmid, Regisseur und Autor
Gespräch mit Johannes Schmid, Regisseur und Autor
Wir für immer
11. September, 20:15 Uhr, Das Erste
Johannes Schmid
© WDR/Kai Schulz
Wie kam es zu der Idee zu „Wir für immer" und welche Bedeutung hat der Titel?
Die Idee zum Film kommt von meinem Bruder, dem Autor Thomas Schmid. Mir gefiel von Anfang an, eine Geschichte über Verantwortung in Familienstrukturen zu erzählen. Wieviel Verantwortung kann und soll man tragen, wenn sich wie bei Jann das Eltern-Kind-Verhältnis sozusagen umdreht? Wo sind da in aller Liebe auch die Grenzen zum eigenen Ich? Auch wenn der Film alles andere als autobiographisch ist, kennen sowohl mein Bruder Thomas als auch ich diesen Konflikt aus unseren eigenen Leben, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Situationen und Lebensstationen heraus. Deshalb war es uns wichtig dem Film eine gewisse Allgemeingültigkeit zu geben, denn die Gründe für diese umgedrehte Betreuungssituation können ja ganz unterschiedlich sein. Früher oder später kommen wir fast alle in die Situation, dass wir uns um ein Elternteil kümmern müssen. Unser Protagonist muss dies aber schon in sehr jungem Alter. Mutter und Sohn leben in einem ungesunden Abhängigkeitsverhältnis, aus dem sich beide befreien müssen. Sie müssen erkennen, dass sie sich loslassen müssen, um weitergehen zu können. Der Titel „Wir für immer“ versucht genau das zu fassen. Die Vision einer Liebe und einer Zusammengehörigkeit, die aber auch zur bedrohlichen Fessel werden kann.
Wie sind Sie auf den Cast gekommen – was brachten Marie Leuenberger, Philip Günsch und Mina-Giselle Rüffer mit?
Maries Leuenbergers Arbeit habe ich schonseit ihrem ersten großen Erfolg mit „Die Standesbeamtin“ mit großem Interesse verfolgt. Sie ist eine unglaublich vielschichtige und facettenreiche Schauspielerin. Sie war für mich wirklich eine Idealbesetzung. Marie schafft es, dass man die Figur der Lina trotz allem, was sie ihrem Sohn antut, auch mögen kann, und lässt immer auch die Hilflosigkeit und Bedürftigkeit der Lina spüren. Sie hat sich mit aller schauspielerischen Wucht in diese Rolle hineingeworfen. Für die Besetzung der beiden jüngeren Rollen habe ich mit meiner Casterin Daniela Tolkien ein ausführliches Casting gemacht. Für Philip Günsch ist es die erste große Hauptrolle, und er hat das einfach fantastisch gemacht. Der Junge ist ein Riesentalent. Er schafft es, das ganze Drama und die Zerrissenheit seiner Figur in seinem Gesicht zu zeigen – ganz pur. Und mit Mina-Giselle Rüffer, die ja bereits Grimmepreis-Trägerin ist, haben wir die ideale Partnerin für ihn gefunden. Denn der Film ist ja auch die Geschichte einer ersten Liebe. Mir war wichtig, die Annäherung von Jann und Selma in aller Zartheit und Vorsichtigkeit zu erzählen, mit allen Unsicherheiten und jenseits aller Posen. Mit Philip und Mina dieser Authentizität in aller Intensität nachzuspüren, war eine große Freude.
Der Film ist in reduzierten, eher unterkühlten Farben gehalten. Warum haben Sie sich für dieses Konzept entschieden?
Mein Filmfotograf Michael Bertl und ich versuchen immer die richtige Tonalität und Farbgebung für unsere gemeinsamen Filme zu finden. Dass wir „Wir für immer" eben nicht im Sommer, sondern in einer herbstlichen und wolkenverhangenen, auch immer wieder regnerischen Jahreszeit ansiedeln, ist natürlich eine emotionale Entscheidung und Setzung. Sicher spielt hier aber auch das skandinavische Kino, das ich sehr liebe, eine Rolle. Die Reduktion in der Farbpalette bringt eine Fokussierung mit sich, eine Konzentration aufs Wesentliche. Unsere Hauptfigur Jann könnte es sich gar nicht leisten, sich in Nebensächlichem zu verlieren.
„Wir für immer" ist Ihr erster Fernsehfilm. War er von Anfang an als solcher geplant?
Tatsächlich haben wir in der Drehbuchentwicklung zunächst an Kino gedacht und auch Kinodrehbuchförderung bekommen. Uns wurde aber, auch in der Zusammenarbeit mit Andrea Hanke vom WDR, die bereits meinen Kinofilm „Agnes“ betreut hatte, und unserem Produzent Philipp Budewg von der Lieblingsfilm Gmbh, bald klar, dass der Stoff in seiner Kompaktheit und mit seinen Kammerspielqualitäten auch sehr gut – wahrscheinlich sogar noch besser – im TV-Format funktionieren kann. Für mich war das nach fünf Kinofilmen eine tolle neue Herausforderung.
Stand: 20.08.2024, 09.45 Uhr