Bauteile aus Deutschland für Putins Krieg?

Bauteile aus Deutschland für Putins Krieg?

MONITOR-Recherchen verstärken Verdacht gegen deutsches Unternehmen

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© WDR

Hat ein deutsches Unternehmen nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs über den Umweg Türkei weiterhin Technologie nach Russland geliefert, die auch in Waffen eingesetzt wird, die im Ukrainekrieg zum Einsatz kamen? Diesem Verdacht ist das ARD-Magazin MONITOR (heute, 21.45 Uhr im Ersten und danach in der ARD Mediathek) nachgegangen und hat belastbare Hinweise dafür gefunden.

Bei der deutschen Firma handelt es sich um das Unternehmen Smart Impex GmbH mit Sitz in Kerpen bei Köln. Von dort wurden bis kurz vor Kriegsbeginn elektronische Bauteile nach Russland verkauft. Dies geht aus Zolldaten hervor, die dem ARD-Magazin vorliegen. Solche Bauteile können offenbar auch militärisch genutzt werden. Vergleichbare Bauteile wurden in russischen Raketen gefunden, deren Überreste nach russischen Angriffen auf die Ukraine untersucht wurden. Bei der russischen Empfängerfirma handelt es sich um die „Fast Impex“ in Moskau. Deren Mitgründer Jaroslaw Z. ist zugleich einer der Gesellschafter der deutschen Smart Impex GmbH.

Bauteile wie die von der deutschen Firma verkauften, die beispielsweise auch in Computern eingesetzt werden können, spielen für das russische Militär offenbar eine große Rolle. Solche elektronischen Bauteile „sind das Herzstück russischer Waffen“, sagt James Byrne vom britischen Think Tank RUSI (Royal United Services Institute). Das Forschungsinstitut ist auf Sicherheit und Verteidigung spezialisiert.

Nach Kriegsbeginn wurde der Verkauf dieser Bauteile von der deutschen Firma eingestellt, das Geschäft ging nach MONITOR-Recherchen jedoch weiter. Die gleiche Ware kam nun allerdings aus der Türkei – von der AZU International, einer Firma mit Sitz in Istanbul.

Das Unternehmen wurde nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn gegründet, und zwar von Göktürk A., der zugleich Geschäftsführer und Gesellschafter der deutschen Smart Impex GmbH ist. Im vergangenen Jahr verkaufte das türkische Unternehmen elektronische Komponenten im Wert von über 20 Millionen Dollar nach Moskau.

Das Kündigungsschreiben eines Geschäftsführers und Mitgesellschafters der Smart Impex, das MONITOR vorliegt, erhärtet nun den Verdacht, dass das Unternehmen über den Umweg Istanbul EU-Sanktionen gezielt umgehen wollte. In dem Schreiben beklagt er sich darüber, dass er sich getäuscht fühlt, „dass Lieferungen der smart Impex GmbH an die Firma AZU in der Kenntnis erfolgten, dass von der AZU Lieferungen nach Russland/Belarus getätigt würden.“

Dass es sich bei solchen Firmengründungen in der Türkei um eine gezielte Umgehung von Sanktionen handeln könnte, legen aktuelle Wirtschaftsdaten nahe. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs ist das Exportvolumen der Türkei im Bereich „Halbleiter und elektronische Schaltkreise“ quasi explodiert: von rund 300.000 Dollar im Jahr 2021 auf über 86 Mio. Dollar im Jahr 2022.

Die Sanktionsrechtsexpertin Bärbel Sachs fordert daher Ermittlungen gegen solche Unternehmen. Gegenüber MONITOR sagt sie: „Wenn der deutsche Geschäftsführer nun Geschäfte aus der Türkei durchführt, die aus Deutschland verboten wären, dann ist das ebenfalls ein Verstoß gegen das Embargo und zwar gegen die Verbote und auch gegen die Vermittlungsverbote.“

Auf schriftliche Anfrage schreibt die Smart Impex: „Wir lassen derzeit die Vorwürfe [...] genauestens prüfen. [..] Die bisherigen Prüfungen belegen, dass unsere verkauften Güter nicht sanktioniert waren/sind.“

Die zuständige Staatsanwaltschaft in Köln teilte auf MONITOR-Anfrage mit, sie könne aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht beantworten, ob gegen das Unternehmen Smart Impex ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.

Stand: 09.02.2023, 05.00 Uhr