Wendeman(n)över

Geschichte im Ersten

Wendeman(n)över

Aus der Reihe HERstory

Ein Film von Sabine Michel

Protest vor der Volkskammer in Ostberlin am 22. April 1990 gegen eine Übernahme des bundesdeutschen Abtreibungsgesetzes.
© WDR/Labo M GmbH

Seit Jahrhunderten schreiben und deuten Männer Geschichte. Aber man kann Geschichten nicht wahrhaftig erzählen, wenn man die Hälfte der Menschheit systematisch beiseiteschiebt. Deshalb erzählt „Wendeman(n)över" von der Wendezeit – konsequent aus weiblicher Perspektive. Wovon haben die ostdeutschen Frauen geträumt, wie haben sie die Deutsche Einheit erlebt, und was ist aus ihren Hoffnungen und Wünschen geworden?

Als am 9. November 1989 die Mauer fällt, sind die Erwartungen vieler Frauen hoch: Neuanfang, Freiheit und Wohlstand. Doch die Euphorie des Augenblicks hält nicht lange an. Schnell müssen besonders die ostdeutschen Frauen feststellen, dass das wiedervereinigte Deutschland nicht nur Gutes für sie bereithält.

Vor der Wende sind mehr als 90 % der Frauen im Osten erwerbstätig, die DDR brauchte sie als Arbeitskräfte. Sie stehen in Berufen ihren „Mann“; Arbeiten, die ausschließlich Männern vorbehalten sind, gibt es nicht. Kindergärten sind kostenlos und selbstverständlich. Frauen sind auch finanziell unabhängig von den Männern und entscheiden seit den Siebzigerjahren selbst über Schwangerschaften und Ehescheidungen.

Nach der Wiedervereinigung ist die Lebenswirklichkeit eine andere: Viele Berufs- und Studienabschlüsse und ganze Lebensleistungen werden nicht anerkannt, besonders viele Frauen verlieren ihre Arbeit und finden keine Anstellung mehr. Viele gut ausgebildete, junge Frauen gehen deshalb in den Westen. Die Folgen dieser Abwanderung sind in manchen Regionen Ostdeutschlands bis heute spürbar.

„Ich kann mich sehr gut an den Satz erinnern: Die Erwerbsneigung der ostdeutschen Frauen ist doch sehr übertrieben und die muss auf ein Normalmaß herunter geschrumpft werden. Dann haben wir auch wieder anständige Arbeitslosenzahlen. Das sind so Sätze, die vergisst du nicht als Frau“, erinnert sich die Feministin und Referentin der ersten und letzten Gleichstellungsbeauftragten der DDR, Katrin Wolf, an die Zeit des Einigungsvertrages zwischen DDR und BRD im August 1990.

1990 arbeiten nur noch halb so viele Frauen, wie vor der Wende. Sie müssen sich neu orientieren, ihr Leben oft fundamental verändern. Mit ihren Erwartungen an eine gleichberechtigte Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben die ostdeutschen Frauen aber auch die Bundesrepublik nachhaltig verändert.

In ihrer spannenden Dokumentation erzählt Regisseurin Sabine Michel mit größtenteils unbekanntem Archivmaterial von dieser ambivalenten Zeit. Auch durch ihre Gesprächspartnerinnen, die bisher wenig beleuchtete Aspekte der Wiedervereinigung in der männlich dominierten Geschichtsschreibung thematisieren, ist ein einfühlsamer, erfrischend unterhaltsamer Film entstanden, der die Auswirkungen der Zeit nach dem Mauerfall auf das Leben der Frauen bis heute zeigt.

Redaktion: Mathias Werth

Die HERstory Sendetermine:

16.08.2021 – 22:50 Uhr Lebensgefahr – Frauen und die Medizin
27.09.2021 – 23:35 Uhr Angriffslust – Frauen, Krieg und Gewalt
04.10.2021 – 22:50 Uhr Wendeman(n)över – Frauen und die Wiedervereinigung
04.10.2021 – 23:35 Uhr Frauenwunder – Frauen und das Wirtschaftswunder

Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um eine Vorabversion handelt.

Stand: 11.08.2021, 11.00 Uhr