Fast perfekt
Anke Engelke und die Selbstoptimierer
Das Erste
Fast perfekt
Anke Engelke und die Selbstoptimierer
Ein Film von Gesine Enwaldt und Ravi Karmalker

Anke Engelke testet, ob sie mit Strom im Kopf schneller rechnen kann.
© WDR/good karma productions
Dr. Hummel schnallt ihr eine Gummimanschette um den Kopf, fixiert zwei Elektroden und fragt behutsam: „Sind sie bereit, Frau Engelke?“ Der Neurologe dreht den Regler auf, und Strom fließt durch die Schädeldecke direkt ins Gehirn. Nun soll sie Kopfrechnen– so schnell wie möglich.
Strom im Kopf - eine von vielen Optimierungsmethoden, an denen zur Zeit geforscht wird. Schöner, schlauer, schneller und vor allem schlanker wollen wir sein. Der Drang, sich zu optimieren ist so groß wie nie. Doch darf er unser Leben bestimmen? Oder wäre es nicht besser, zufrieden mit dem zu sein, was nicht optimal ist - wir aber nur schwer ändern können?
Ein grauer Werktag in Bonn. Anke Engelke baut einen Stand auf und malt ein Schild: Optimierungsstelle. Anke Engelke hört Ihnen zu. Sie lädt Menschen ein, mit ihr über den Wunsch nach Perfektion zu sprechen. Eins ist schnell klar: Schönheit und Schlankheit sind die große Themen.

Peter Ohnemus (l) erklärt Anke Engelke seine Gesundheits-Optimierungs-App.
© WDR/good karma productions
Wie aber schafft man es, sich gut zu finden? Mit allem Wenn und Aber? Der Versuch: Wir organisieren einen Workshop. Interessenten können sich melden. Der Plan: Die Haltung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu sich selbst und ihren vermeintlichen Schwächen zu ändern. Mit der Unterstützung von Coaches. Andere Hilfsmittel wie Diäten und Schönheits-OPs sind streng verboten. Wird den Teilnehmern ein neuer Blick auf sich selbst gelingen?
Bei der Commerzbank in Frankfurt melden sich Mitarbeiter freiwillig zu einer Challenge. Sie treten intern und weltweit gegen andere Firmenteams an: Wer schafft die meisten Schritte? Die Daten werden gesammelt und verglichen. Was heute noch spielerisch daher kommt, kann in Zukunft Wirklichkeit für uns alle werden. Der Unternehmer Peter Ohnemus entwickelt eine Software, die Gesundheitsdaten misst, kontrolliert und auswertet. Er hat bereits begonnen, mit Krankenkassen zu kooperieren: „Wenn einer wirklich gesund lebt und sich gesund ernährt und sich vernünftig bewegt, dann ist das nicht fair, wenn diese Person genau die gleiche Krankenkassenprämie zahlt, wie einer, der jeden Tag 12 Bier trinkt, jeden Tag Pommes isst und 40 Zigaretten raucht.“
Was aber heißt das für die Unperfekten und Fehlbaren? Was bedeutet es für unsere Gesellschaft, wenn wir uns immer perfekter vermessen – und unsere Daten auch Dritten zugänglich machen? Anke Engelke spricht mit dem Zukunftsforscher Harald Welzer über die Folgen von Selbstoptimierung und Effizienzdenken. Sie trifft Menschen mit Down-Syndrom und deren Eltern, die mit den Auswirkungen von Perfektionsdrang und Leistungskampf leben müssen. Am Ende kommt Anke Engelke zu der Erkenntnis: „Kaum einer, den ich auf meiner Reise traf, war zufrieden mit sich, weder innen noch außen. Und ich dachte irgendwann: Sind wir hier alle auf Fehlersuche konditioniert?! Können wir nicht erkennen, dass wir jenseits all unserer vermeintlichen Fehler absolut ok sind? Da muss sich etwas ändern, sonst drehen wir durch vor lauter Selbstoptimierung!"
Redaktion: Britta Windhoff & Ulrike Schweitzer
Stand: 18.12.2015, 09.00 Uhr