Ein Konzern und seine Verantwortung
Mercedes-Benz Argentina
Ein Konzern und seine Verantwortung
Wenn in Buenos Aires der Jahrestag des Beginns der argentinischen Militärdiktatur als Gedenken an die rund 30.000 „Verschwundenen“, die Opfer des rechten Staatsterrors, begangen wird, dann reiht sich in jedem Jahr in den riesigen Demonstrationszug auch eine Gruppe von Menschen ein, auf deren Transparenten der Name „Mercedes-Benz“ steht. Es sind ehemalige Mitarbeiter von Mercedes, die damit an ihre Kollegen erinnern – und an ein dunkles und bis heute nicht zufriedenstellend geklärtes Kapitel des Konzerns.

v.l.n.r. Hector Ratto, Hugo Crosatto, Julio D´Alessandro beim Marcha de la Memoria im März 2013
© WDR/tvschoenfilm
Es geht um seine Rolle während der Militärdiktatur ab 1976. Der innenpolitische Terror richtete sich gegen alle Menschen, die verdächtigt wurden, in irgendeiner Form links zu sein, auch gegen Gewerkschafter und kritische Arbeitervertreter. Bis heute wird der Vorwurf erhoben, Mercedes-Benz Argentina sei am "Verschwindenlassen" von mindestens 14 Arbeitnehmervertretern beteiligt gewesen. Diese wurden verschleppt, gefoltert und ermordet - nur wenige der Verschleppten haben überlebt.
In Argentinien hat die Justiz nach dem Ende der Militärdiktatur festgestellt, es habe eine Komplizenschaft des Unternehmens wegen Mitwisserschaft gegeben – es wurde allerdings kein persönlich Schuldiger ermittelt. Erst 1999 waren die Vorwürfe auch in Deutschland bekannt geworden, doch auch hier ist es bislang nicht zu Konsequenzen gekommen. Ein Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Werksleiter von Mercedes-Benz-Argentina, u. a. wegen des Vorwurfs der Beihilfe zum Mord, wurde eingestellt. Auf Druck der Kritischen Aktionäre und auf Vermittlung von Amnesty International war fast zeitgleich ein Gutachten im Auftrag des Daimler-Konzerns entstanden, dessen Aussagewert bis heute als umstritten gilt: Der Konzern wird darin von Vorwürfen weitestgehend freigesprochen.
Jetzt könnte noch einmal Bewegung in die Situation kommen, denn mittlerweile besteht die realistische Möglichkeit, dass es in den USA ein Zivilverfahren gegen die Daimler AG geben wird. Das höchste Gericht, der Supreme Court, entscheidet aktuell über die Zulassung. Der Anwalt Terry Collingsworth vertritt 22 Argentinier, ehemalige Mitarbeiter und Angehörige von Mitarbeitern. Für sie geht es um Gerechtigkeit, für den Weltkonzern um einen möglichen Imageschaden mit schwer kalkulierbaren Folgen.
Redaktion: Beate Schlanstein
Stand: 02.09.2013, 10.10 Uhr